Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
mehr ein Funke in ihr, der langsam erlosch.
Die Tür öffnete sich, und Tom kam herein. Mit einem Ruck setzte sich Lamina auf, warf ihm einen misstrauischen Blick zu und rutschte dann, das Betttuch bis unter das Kinn gezogen, dicht an die Wand.
»Hallo«, sagte er freundlich und hob grüßend die Hand. »Hast du schon geschlafen?«
Lamina schüttelte den Kopf und presste abweisend die Lippen zusammen, doch offensichtlich bemerkte Tom die Ablehnung nicht.
»Tara ist gerade beschäftigt«, fuhr er fort, trat näher und setzte sich auf die Bettkante. »Na ja, da dachte ich, ich komme mal zu dir. Wollen wir nicht ein wenig Spaß miteinander haben?«
Er krabbelte auf das Bett, schlang seine Arme um Laminas Taille und zog sie zu sich heran. Tom war ein kräftiger junger Mann, und schon das Gefühl der muskulösen Arme, die sie umfassten, ließ die namenlose Qual in ihr wieder lebendig werden. Sie konnte sich nicht wehren, sie konnte nicht schreien, sie erstarrte einfach. Er küsste sie auf denMund, stürmisch und voller Leidenschaft, doch nicht brutal. Seine Bartstoppeln stachen in ihre zarte Haut. Still rannen die Tränen über ihre Wangen. Sie fühlte wilde Panik in sich aufsteigen, der Strudel begann sich zu drehen und drohte sie in die finstere Tiefe zu reißen.
Tom ließ sie los und rückte ein Stück von ihr ab. »Habe ich dir wehgetan?«
Stumm schüttelte Lamina den Kopf.
»Aber was hast du dann?«, fragte er ratlos. »Tara sagt, dass es auch den Frauen Freude bereitet.«
Wehmütige Erinnerungen regten sich in Laminas Herz: die fast vergessenen Schatten leidenschaftlicher Liebesnächte, die Wärme und der Geruch des geliebten Gatten, den sie verloren hatte. Wie konnte sie diesem rauen Burschen begreiflich machen, welches Glück die Vereinigung der Liebe war und welch schreckliches Leid sie über ein Weib brachte, das durch die Gewalt eines Mannes erniedrigt und gedemütigt wurde?
»Möchtest du Wein?«, fragte Tom, der sie immer noch aufmerksam betrachtete. Unfähig, auch nur ein Wort herauszubringen, nickte Lamina.
Er erhob sich, lief hinaus und kam mit einem Krug und zwei Bechern zurück. Mit zitternden Händen führte Lamina den Becher an die Lippen, während Tom begann, von seinen Fahrten auf der Schlange zu erzählen. Es waren ernste und lustige, grausame und unglaubliche Geschichten, doch allmählich ließen die Klauen der Panik von Lamina ab. Der Wein wärmte sie, und die Worte hüllten sie ein. Schläfrig lehnte sie sich in die Kissen zurück. Dann schwieg er.
»Wo kommst du her?«, fragte er nach einer Weile.
Lamina sah ihn verwirrt an. Fenon, das Gut ihres Vaters, Burg Theron, all das schien so weit weg, als seien es Orte eines früheren Lebens. Eine tiefe Traurigkeit griff nach ihrem Herzen, als die Sehnsucht in ihr aufstieg. Die Einsamkeit ließ sie frösteln.
»Theron«, sagte sie versonnen, und dann formten sich die Worte wie von selbst.
Tom rutschte an ihre Seite, legte den Arm um ihre Schulter und streichelte sanft ihre Hände. Lamina sah in die Ferne. Ihr Geist war nach Hause zurückgekehrt, und ihr Mund sprach von den saftigen Wiesen, durch die der Wind strich, von den Schluchten in den aufragenden Silberbergen, durch die sie mit Gerald geritten war, von den Sorgen und Nöten der Burgbewohner und der Pächter. Tom streichelte sie und hörte zu. Als sie dann schwieg, küsste er zaghaft ihre Lippen. Dieses Mal versteifte sie sich nicht. Seine Lippen waren rau und schmeckten nach Wein, doch sie sprachen von Wärme und Anteilnahme. Mit einem Seufzer lehnte Lamina ihre Wange an seine Brust und schlang ihre Arme um seinen Leib. Sie schloss die Augen und schlief ein.
Eine ganze Weile wagte Tom nicht, sich zu rühren, dann löste er vorsichtig ihre Hände aus seinem Kittel, rutschte vom Bett und schob die Schlafende unter die Decke. Sie rollte sich wie ein kleines Tier zusammen, erwachte aber nicht.
Einen Augenblick blieb er noch vor dem Lager stehen und strich über das herrlich rote Haar, dann ging er hinaus und schloss leise die Tür hinter sich.
Thunin schritt unruhig auf und ab, und auch die anderen konnten keine Ruhe finden. Der Regen hatte nachgelassen, und im Osten kündigte sich der neue Tag an, von Ibis und Seradir fehlte jedoch jede Spur.
»Verdammt, wir müssen sie suchen«, murmelte der Zwerg, der in die sich lichtende Dämmerung starrte. Lahryn legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Das Tageslicht ist nicht gut für uns. Wir sollten nichts
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