Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
überstürzen.«
»Aber wir können sie doch nicht im Stich lassen!«, begehrte Thunin auf. »Sicher hat Ibis ihre vorwitzige Nase wieder einmal ein Stück zu weit in die Dinge gesteckt.«
Lahryn hob beschwichtigend die Hände und versicherte dem Zwerg gerade, dass er natürlich nicht daran dachte, einen Gefährten im Stich zu lassen, da deutete Cay aufgeregt zur Halbinsel hinüber. Zwei geduckte Schatten huschten zwischen den Felsblöcken näher. Erleichterung glättete die tiefen Furchen auf Thunins Stirn. Die Freunde zogen sich tiefer ins Unterholz zurück und hörten voll Spannung den Bericht der beiden Elben. Dann schickte Thunin Ibis mit strenger Stimme schlafen. Maulend gehorchte sie. Viel lieber hätte sie das Schiff beobachtet, doch alle waren sich einig, dass sie ihre Kräfte in der nächsten Nacht sicher brauchte. Rolaría kümmerte sich noch um den Schnitt in ihrer Hand, der sich zum Glück als nicht vergiftet herausstellte, dann wickelten sich die beiden Elben in ihre Decken und schliefen ein. Während die anderen ihren Schlaf bewachten, schlichen Thunin und Rolana an die Felskante vor, um einen Blick auf das Schiff zu werfen, das im nächtlichen Sturm vor Fansei angekommen war.
Eine Weile gingen sie parallel zur Küste, bis sie die Halbinsel mit dem Turm hinter sich gelassen hatten. Rolana eilte hinter dem Zwerg her durch das dichte Buschwerk des lang gestreckten grünen Hangs. Dann verlangsamte er seinen Schritt und wandte sich der Küste zu. Er suchte sich im Zickzack seinen Weg hinter Büschen und Steinen, immer darauf bedacht, dass sie vom Turm aus nicht gesehen werden konnten. Dann kam der gefährlichste Teil des Weges. Ein karges, ausgetrocknetes Flussbett, in dem an sandigen Stellen nur ein paar dürre Grasbüschel wuchsen, trennte sie von der Steilkante, die zum Meer hin abbrach.
Thunin rannte als Erster los, duckte sich auf der anderen Seite hinter einen Felsen und wartete einige Augenblicke. Nichts regte sich. Eilig winkte er Rolana, ihm zu folgen. Vorsichtig krochen sie die letzten paar Schritte, bis sie über die Kante sehen konnten. Nur wenige Handbreit vor ihnen brach der Fels leicht überhängend mehr als sechzig Fuß ab. Tief unter ihnen brodelten weiße Schaumkronen auf dem tintenblauen Wasser. Vom frischen Wind getragen, segelten Möwen über den Wellen und ließen ihr heiseres Krächzen hören.
Das Schiff, das in der Nacht noch in sicherem Abstand vor der Küste auf und ab gesegelt war, lag nun zwischen den Felsen in der ruhigen Bucht vor Anker. An Bord herrschte emsiges Treiben. Verwegen aussehende Männer schleppten schwere Kisten unter Deck, die von einer langen Reihe Ruderboote herangebracht wurden. Im Austausch dagegen wanderten Bündel und Säcke aus den Laderäumen des Schiffes an Deck und wurden dann zu den Booten hinuntergelassen. Thunin und Rolana hörten die Stimmen derMänner, sie konnten die Worte aber nicht verstehen. In einer langen Reihe machten sich die Ruderboote wieder auf den Weg und strebten einer Grotte zu, die, düster wie das Maul eines riesigen Wals, hinter dem Zweimaster aufragte. Bald schon kehrte die kleine Flotte wieder mit Kisten zurück.
»Meinst du, die Grotte ist der Unterschlupf der Piraten?«, fragte Rolana, die die bunten Gestalten in ihren Booten nicht aus den Augen ließ.
Thunin zuckte mit den Schultern. »Hm, sieht fast so aus. Einerseits ist so eine raue Felseninsel gewiss ideal, denn man kann vor Störungen sicher sein. Sieh nur, wie die Wellen gegen die Klippen donnern. Dort kann kein Schiff anlanden. Andererseits frage ich mich, wie kommen die Piraten und ihre Beutestücke von diesem Felsklotz wieder weg? Nur mit den Ruderbooten? Das kann ich nicht glauben.«
»Es gibt bestimmt einen unterirdischen Gang«, meinte Rolana nach einer Weile. »Erinnere dich, was Ibis und Seradir erzählt haben. Ich denke, sie haben ihn einfach übersehen. Wohin soll der Mann sonst verschwunden sein? Ich sage: Es gibt eine Verbindung zwischen der Grotte auf der Insel und dem Turm.«
»Nun müssen wir sie nur noch finden«, brummte der Zwerg.
Die Sonne hatte die Wolken endgültig vertrieben und heizte den beiden in ihrem Felsenversteck ein. Rolana gähnte und rollte sich unter einem stacheligen Busch zu einem Mittagsschlaf zusammen, doch der Zwerg starrte unverwandt zu der felsigen Insel hinüber. Er wusste, wie sinnloses war, und dennoch hoffte er, ein Lebenszeichen der Gräfin zu entdecken.
Am späten Nachmittag, als die Flut einsetzte, waren die
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