Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
dass ich berufen bin und deshalb – also – ich will zu ihm, ins Kloster nach Adahorn, um Soma zu dienen.«
Totenstille senkt sich über den prächtig eingerichteten Salon der Familie von Lichtenfels. Ängstlich sieht Rolana von einem zum anderen. Die Mutter ist blass geworden, die Miene des Vaters dagegen verhärtet sich. Röte steigt in seine Wangen.
»Was soll dieser Unsinn? Ich habe dich für vernünftig und erwachsen gehalten, und nun sprichst du wie ein unreifes Kind. Die Verbindung mit dem Haus von Reichenberg ist sehr wichtig für uns, und es war dein eigener Wille, dich zu verloben.«
»Habt ihr euch gestritten, Liebes? Soll ich mit Bertram reden?«, schaltet sich die Mutter mit sanfter Stimme ein.
»Ihr habt mir nicht zugehört«, sagt Rolana. »Das hat nichts mit Bertram zu tun. Ich möchte in Somas Orden eintreten und Priesterin werden.«
Die Mutter schweigt bestürzt, doch der Vater, der vom Besuch seiner Töchter am Tempel erfahren hat, poltert los:
»Wenn ein bisschen zu viel Freiheit gleich zu solchen Fantastereien führt, dann muss ich dich eben strenger halten. Du wirst bis auf weiteres das Haus nicht mehr verlassen. Ich werde Melanie genaue Anweisungen geben, was du darfst und was nicht, und wenn sie sich nicht an meine Befehle hält, dann ist sie in diesem Haus nicht mehr erwünscht.«
»Aber Vater, Ihr könnt doch nicht einfach Eure Wut an Meli auslassen. Versteht doch, der heilige Mann hat mich gerufen!« Sie bricht in Tränen aus, aber der Vater hat das Zimmer bereits verlassen. Bekümmert nimmt die Mutter ihre Älteste in die Arme.
»Es ist sicher nur ein wirrer Traum, mein Kind. Denk in Ruhe darüber nach, bevor du etwas tust, was dir später einmal Leid tun wird.«
»Ihr wollt mich nicht verstehen«, sagt Rolana.
Die Mutter schüttelt den Kopf. »Ich habe Angst, dich für immer zu verlieren«, flüstert sie und streicht über die langen schwarzen Locken.
Schwere Tage ziehen wie Gewitterwolken über das Haus von Lichtenfels hinweg. Immer wieder sucht Rolana die Auseinandersetzung mit den Eltern, doch der Vater bleibt hart. Dennoch wird die Vermählung verschoben. Zu sehr fürchtet der Senator, Rolana könnte die Familie des Bräutigams vor der versammelten Gesellschaft brüskieren. Für Lea ist das alles nur ein Spiel. Nachdem sie Rolana das Versprechen abgerungen hat, sie oft in ihrem Kloster besuchen zu dürfen, ist der Streit für sie nicht mehr interessant. Immer wieder spricht Rolana von ihrer Berufung durch den heiligen Mann, und da die Mutter eine gläubige Frau ist und selten versäumt, im Tempel den Beistand der Götter zu erflehen, glaubt sie den Worten ihrer Tochter, doch tiefe Trauer senkt sich über ihr Gemüt, und sie hadert mit Somas Entscheidung. Der Vater jedoch bleibt uneinsichtig. Immer wieder vertröstet er die von Reichenbergs, bis diese sich eine andere Braut für ihren Sohn wählen. Es ist Rolanas sechzehnter Geburtstag, als sie in die Kutsche steigt, die sie und Melanie nach Adahorn bringen soll. Der Vater kommt nicht, um sich zu verabschieden.
»Es bricht ihm das Herz, dich an die Götter zu verlieren«, entschuldigt ihn die Mutter. »Du darfst ihm nicht zürnen.«
Rolana nickt, und dennoch schmerzt es sie zu sehen, wie er nun seine ganze Liebe Lea zuwendet. Die Kutsche setzt sich in Bewegung, und bald ist der prächtige Säulenbau, der so lange ihre Heimat war, ihren Blicken entschwunden, doch für Trauer und Abschiedsschmerz ist kein Platz in ihrem Herzen, und auch Bertram lässt sie ohne Bedauern zurück. Was ist ein Leben an seiner Seite gegen das Leben im warmen Licht eines Gottes? Der Dienst an den Göttern verbietet nicht die Liebe zu einem Menschen, doch ein von Reichenberg würde es nie dulden, dass seine Gattin im Tempel weilt, statt sich um die vornehmen und reichen Gäste des Hauses zu kümmern.
Adahorn, die heilige Stadt der Magie, ist traumhaft schön. Sie ist so hell und sauber. Keine Bettler streifen durch die Straßen, kein Unrat auf dem Boden zwingt einen, die Röcke anzuheben, kein Gesindel lauert in der Dunkelheit, um einem die Börse zu rauben. Die Stadt ist den Göttern und der magischen Wissenschaft gewidmet. Es gibt riesige Bibliotheken, Studierhäuser, Tempel, Hallen und Parkanlagen. In den Gärten wandeln Magier und Priester, tauschen ihr Wissen aus oder ruhen von ihren Studien. Rolana liebt diese Stadt, und sie liebt den heiligen Mann, der sie in die Geheimnisse des Lebens und der Natur einweiht. Bald schon kann sie die
Weitere Kostenlose Bücher