Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
verlaust! Sie werden nicht satt, weil du das Geld für Branntwein hinauswirfst.«
Dann färbt sich Mutters Gesicht rot. Ihr sonst so weiches Antlitz verzerrt sich zu einer Fratze.
»Wer bringt denn immer weniger Geld nach Hause?«, keift sie. »Du bist ein Versager. Kinder zeugen, ja, das kannst du, aber Geld heranschaffen, damit sie nicht hungern müssen, das kannst du nicht. Ich ziehe sie groß, und du bringst sie um. Meine Söhne, du hast meine Söhne gemordet!«
Der Vater ballt die Fäuste und schlägt ihr ins Gesicht, so dass die Mutter gegen die Wand taumelt. Blut rinnt ihr aus der Nase, und sie beginnt hemmungslos zu weinen. Noch immer schimpfend reicht ihr der Vater ein altes Tuch, das sie sich an die Nase presst, um die Blutung zu stillen. Traurig schleichen Vlaros und seine Geschwister hinaus auf die Gasse. Wie oft müssen sie solche Szenen ertragen? Die Streitereien ähneln einander, und es gibt keinen Ausweg aus dem Strudel, der die Familie immer tiefer in die Verdammnis herabzieht.
Doch ganz plötzlich, als Vlaros acht Jahre alt ist, beginnt für ihn ein neues Leben. Wie so oft fährt er mit dem Vater in dem alten Eselkarren nach Adahorn, um den kärglichen Fang an eine Magierin im Ostteil der Stadt zu verkaufen. Schon seit Monaten nimmt sie ihm regelmäßig seine ganze Ladung ab. Oft schon hat Vlaros ihr Gesicht am Fenster gesehen, wenn er mit dem Vater die Kiste ums Haus trägt, um den Fisch durch die Hintertür in die Küche zu bringen, an diesem Tag aber lässt die Magierin Vater und Sohn zu sich rufen. Ein älterer Diener führt sie durch einen teppichbelegten Gang in eine Bibliothek, in der trotz der Frühlingswärme ein Feuer prasselt. Verlegen dreht der Vater seine speckige Mütze in den Händen und wagt nicht, in die hellgrünen Augen der alten Frau zu sehen, die, eine Fell decke über den Beinen, kerzengerade in ihrem Sessel sitzt. Der durchdringende Blick wandert über den Vater und bleibt dann an dem mageren Bürschchen an seiner Seite hängen, das mit offenem Mund und vor Staunen weit aufgerissenen Augen die hohen Bücherregale ringsherum betrachtet.
»Ich möchte Euch einen Vorschlag machen, guter Mann«, sagt sie plötzlich mit tiefer, rauchiger Stimme. »Wie Ihr seht, werde ich alt. Auch tragen mich meine Beine schon seit Jahren nicht mehr. Es wäre mir eine Erleichterung, einen aufmerksamen Jungen an meiner Seite zu haben, der mir die Bücher aus den Regalen reicht, Botengänge erledigt oder meinen Kräutersud aus der Küche bringt. Wie alt ist Euer Junge?«
Der Fischer starrt die Magierin mit großen Augen an, ehe er hervorstößt: »So um das achte Jahr, wenn ich mich recht erinnere. Vlaros ist sein Name, verehrte Meisterin.«
»Vlaros«, wiederholt sie und lächelt den Jungen an. »Ich verspreche Euch, der Junge wird es gut bei mir haben. Er bekommt zu essen und ein Bett …«
»Und der Lohn?«, stößt der Fischer hervor. Seine Wangen werden abwechselnd blass und rot vor Aufregung.
Adelaide von Eichenberg zieht die linke Augenbraue ein wenig hoch und fixiert den nervösen Mann, dessen vom Hunger gezeichneter Körper von geflickten, viel zu weiten Kleidern nur unzureichend verhüllt wird.
»Ich gebe Euch ein Goldstück im Monat«, sagt sie bestimmt.
Die Augen des Mannes leuchten. Es ist lange her, dass er solch einen Schatz in Händen gehalten hat. Eifrig nickt er, doch dann treten Schweißperlen auf seine Stirn.
»Könntet Ihr, ich meine, wäre es möglich, den ersten Monat im Voraus?« Er bricht ab und sieht verlegen zu Boden. Adelaide greift nach einem silbernen Glöckchen. Der helle Ton dringt durch den Gang und die Treppe hinunter, und nur wenige Augenblicke später steht ein Diener in der Tür und verneigt sich.
»Gib diesem Mann ein Goldstück«, sagt sie, »und führe ihn dann, wenn er sich von seinem Sohn verabschiedet hat, hinaus.« Sie wendet sich Vlaros zu, der noch immer die Bücher betrachtet.
»Hast du zugehört, mein Kind? Willst du artig und fleißig sein und für mich arbeiten?«
Große Kinderaugen sehen zu ihr auf. »Ja, Meisterin«, haucht der Junge. Sein Vater greift nun hart nach seiner Schulter.
»Du tust, was die Dame von Eichenberg zu dir sagt! Sei ja nicht frech, sonst setzt es eine Tracht Prügel, wenn mir irgendwelche Klagen über dich zu Ohren kommen.«
Vlaros nickt gleichmütig und stellt sich dann neben den Sessel, um seinen ersten Befehl entgegenzunehmen.
»Ihr könnt jetzt gehen, Fischer«, sagt sie mit dunkler Stimme. »Vlaros soll
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