Die Drachenreiter von Pern 01 - Die Welt der Drachen
unseres Lebens zurück und beeinflußten unseren eigenen Werdegang.« Ihre Stimme wurde spöttisch. »Du hast unterbewusst immer die Stellung des Weyrführers angestrebt. Warum? Weil du deinem jüngeren Ich den Gedanken eingegeben hattest, nur du seiest für diese Rolle geeignet.«
Sie machte eine Pause und fuhr dann heftig fort: »Wäre es möglich, dass unser ultrakonservativer R'gul recht hat? Dass seit vierhundert Planetendrehungen keine Fäden mehr gefallen sind, weil es keine Fäden mehr gibt? Und dass die Drachen immer seltener werden, weil man ihren Schutz nicht länger benötigt?
Dass wir tatsächlich als Schmarotzer auf Pern leben?«
F'lar wusste nicht, wie lange er in ihr Gesicht gestarrt hatte. Sorgfältig legte er sich die Antworten auf ihre drängenden Fragen zurecht.
»Alles ist möglich, Weyrherrin«, hörte er sich ruhig sagen. »Einschließlich der unwahrscheinlichen Tatsache, dass ein elfjähriges verängstigtes Kind dem Mörder ihrer Familie Rache schwört und diese Rache auch durchfuhrt.«
Unwillkürlich trat sie einen Schritt näher. Sie hörte ihm angespannt zu.
»Aber ich kann nicht glauben, dass sich unser Leben in der Drachenaufzucht und im Austragen von Kampfspielen beschränkt. Das ist mir zu wenig. Und ich habe andere dazu gebracht, über Eigennutz und Bequemlichkeit hinauszuwachsen. Ich habe ihnen ein Ziel gegeben.
Ich suche keine Rückenstärkung in diesen Schriften, ich suche echte Tatsachen.
Weyrherrin, ich kann beweisen, dass früher Fäden gefallen sind. Ich kann beweisen, dass es Intervalle gab, in denen die Weyr verwahrlosten. Ich kann beweisen, dass der Rote Stern nahe genug an Pern vorbeizieht, um Fäden abzuwerfen, wenn er am Tag der Wintersonnenwende im Felsöhr aufleuchtet.
Und da ich diese Dinge beweisen kann, glaube ich, dass Pern sich in Gefahr befindet!
Ich glaube das … nicht der halbwüchsige Bengel, der ich vor fünfzehn Planetendrehungen war.
F'lar, der Bronzereiter und Weyrführer, glaubt es!«
Er sah immer noch Zweifel in ihren Augen, aber er spürte, dass seine Argumente allmählich zu wirken begannen. »Du hast dich schon einmal von mir überzeugen lassen«, fuhr er etwas ruhiger fort, »als ich dir sagte, du könntest Weyrherrin werden …«
Sie lächelte schwach.
»Das war etwas anderes. Ich hatte nie weiter als bis zum Tode von Fax geplant. Natürlich, es ist wunderbar, mit Ramoth zusammenzuleben, aber…«
Sie zog die Stirn kraus »… es genügt mir irgendwie nicht mehr. Deshalb sehnte ich mich so danach, fliegen zu lernen und …«
»… deshalb begann auch diese Diskussion«, fuhr F'lar mit einem grimmigen Lächeln fort.
Er beugte sich über den Tisch.
»Glaube mit mir, Lessa, bis du einen Gegenbeweis hast. Ich respektiere deine Zweifel. Oft genug führen Zweifel zu einem um so tieferen Glauben. Warte bis zum Frühling ab! Wenn dann immer noch keine Fäden gefallen sind …«
Er zuckte mit den Schultern.
Sie sah ihn lange an und nickte dann kurz.
Er versuchte, seine Erleichterung über ihre Entscheidung zu verbergen.
»Und nun zurück zu dem banalen Zeug, wie du es nennst. Diese Schriften verraten mir Zeitpunkt, Ort und Dauer des Fadeneinfalls.« Er grinste sie an. »Und diese Dinge brauche ich, um meinen Plan aufzustellen.«
»Plan?«
»Ja. Ich kann natürlich nicht genau den Tag und die Sekunde voraussagen. Das ist von vielen Faktoren abhängig. Wenn zum Beispiel das Wetter weiterhin so kalt bleibt, erstarren die Fäden einfach und gehen als harmloser Staub nieder. Aber wenn sich die Luft erwärmt, bleiben sie am Leben und sind … grauenvoll.«
Er ballte die Fäuste und hielt eine schräg über die andere.
»Der Rote Stern ist meine rechte Hand. Die Linke stellt Pern dar. Der Rote Stern dreht sich sehr schnell, und zwar in Entgegen-gesetzter Richtung von Pern. Seine Bahn unterliegt zudem unregelmäßigen Schwankungen.«
»Woher weißt du das?«
»An den Wänden der Brutstätte von Fort befindet sich ein Schaubild. Fort besitzt den ältesten Weyr überhaupt.«
Lessa lächelte schwach.
»Ich weiß.«
»Wenn der Rote Stern also nahe genug kommt, lösen sich die Fäden und wirbeln auf die Erde zu. Sie fallen etwa sechs Stunden lang und in einem Abstand von vierzehn Stunden.«
»Sechs Stunden lang?«
Er nickte ernst.
»Wenn uns der Rote Stern am nächsten ist. Im Moment beginnt er seine Annäherungsphase.«
Sie runzelte die Stirn.
Er wühlte in den Aufzeichnungen, und etwas klirrte zu Boden.
Lessa bückte sich neugierig
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