Die Drachenreiter von Pern 10 - Der Renegaten von Pern
dann gerieten sie in einen Steinschlag. Zwei Männer wurden schwer verletzt - der eine hatte sich ein Bein gebrochen, dem anderen hatten die Steine den Brustkorb eingedrückt - und mußten ausgegraben werden. Jayge kam der Felssturz sofort verdächtig vor, und er erklärte dem Anführer, er wolle sich genauer umsehen, während die anderen die Verletzten in ein nahegelegenes Gehöft brachten.
Er nahm sich beim Aufstieg sehr in acht, wählte als Ziel einen Grat, von dem aus er das Ende der kleineren Mure überblicken konnte, und suchte sich einen Weg, auf dem er genügend Deckung hatte. Oben angelangt, legte er sich flach auf den Boden und wartete.
Lange Zeit geschah nichts.
Als ihm schließlich Verwesungsgeruch in die Nase stieg, hatte er so lange in derselben Stellung verharrt, daß er nicht schnell genug reagierte - eine kräftige Hand riß ihm den Arm hinter den Rücken und bog ihn nach oben bis zum Schulterblatt, eine zweite legte sich über seinen Mund. Jayge hatte sich immer für stark gehalten, doch so sehr er sich auch wehrte, diesen geschickt angesetzten, schmerzhaften Griffen konnte er sich nicht entwinden.
»Ich hab schon immer gesagt, daß du der hellste Kopf in der Familie bist, Jayge«, flüsterte Readis ihm ins Ohr. »Halt still! Dushik ist hier irgendwo in der Nähe. Wir müssen hinter seinem Rücken absteigen, uns von der anderen Seite heranpirschen und sie aus der Grube holen, ehe die Schlangen sie bei lebendigem Leibe auffressen. Das wolltest du doch, nicht wahr? Du brauchst nur zu nicken.«
Jayge bewegte mühsam den Kopf, und die Hand über seinem Mund wurde weggezogen.
»Dushik würde dich auf der Stelle töten, Jayge.«
»Warum habt ihr das Mädchen entführt?«
Jayge drehte sich um und sah seinen Onkel an, der seinen Arm immer noch nicht freigab. Readis war über und über mit Schleim verschmiert, sein Gesicht wirkte hager, seine Augen waren gerötet, die Wangen eingefallen und die Lippen verbittert zusammengekniffen. Seine Kleider waren zerlumpt und ebenfalls glitschig, und über der Schulter trug er ein mit Schleim überzogenes Seil.
»Ich doch nicht! Ich bin weder wahnsinnig noch bösartig.« Readis' Flüstern ging in ein Zischen über. »Ich wußte nicht, was Thella im Sinn hatte«, fuhr er so leise fort, daß er kaum zu verstehen war.
Jayge dämpfte die Stimme, soweit seine Wut es zuließ.
»Du hast gewußt, daß sie Aramina entführen wollte. Du warst mit den gefälschten Briefen im Weyr.«
»Das war schlimm genug.«
Readis war zusammengezuckt.
»Thella versteht es, ihre Pläne so darzustellen, daß sie vernünftig erscheinen. Aber ein junges Mädchen in eine Schlangengrube zu werfen, ist nicht vernünftig. Das hat nichts mehr mit Vernunft zu tun. Ich glaube, als die Drachenreiter ihre Festung angriffen, hat Thella völlig den Verstand verloren. Du hättest ihr Gelächter hören sollen, als wir durch den Tunnel krochen, den sie von den Mägden hatte graben lassen. Du wirst mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ich wollte sie davon abhalten, die Lawine auszulösen. Dann wollte ich Giron retten und blieb selbst stecken. Er ist übrigens tot. Sie hat ihm gleich in der ersten Nacht die Kehle durchgeschnitten.«
Readis schauderte.
»Ich zeige dir, wo das Mädchen ist, und ich helfe dir, sie rauszuholen. Dann verschwinde ich, und du kannst dich im Glanz deiner Heldentat sonnen.«
Jayge glaubte seinem Onkel, die Verzweiflung hinter den spöttischen Worten war echt.
»Dann komm, holen wir sie raus.«
Readis schob seinen Neffen vor sich her um den Grat herum.
»Ich habe ihr eine Flasche Wasser und einen Laib Brot hinuntergeworfen, als ich Gelegenheit dazu hatte. Hoffentlich hat sie es gehört und sich geduckt. Runter mit dir!«
Jayges Kopf wurde nach unten gedrückt, seine Wange schrammte an einem Felsblock entlang. Er spürte, wie Readis den Atem anhielt, und tat es ihm nach, bis seine Lungen zu bersten drohten. Endlich bekam er einen Stoß, der ihm sagte, er könne sich wieder bewegen, und atmete dankbar in tiefen Zügen ein. Dann gab Readis ihm das Zeichen zum Weitergehen.
Sie brauchten lange, um den Hang hinab und zu der von Readis bezeichneten Stelle zu schleichen. Als sie den überhängenden Felsen endlich erreichten, waren Jayges Muskeln vor Anstrengung ganz hart geworden, und der Himmel verdunkelte sich bereits. Dort, wo Aramina war, wäre es noch dunkler, aber das war für Jayge kein Trost. Readis kroch unter das Sims und verschwand. Jayge folgte ihm, sie mußten
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