Die Drachenreiter von Pern 10 - Der Renegaten von Pern
bemerkte, daß Jayge sich nicht zu rühren wagte.
»Guten Morgen, Ramoth«, wiederholte Jayge heiser und schob sich vorsichtig auf die erste Stufe zu. Über ihm ragte das Drachenweibchen auf, und er war sich noch nie in seinem Leben so unbedeutend vorgekommen. Obwohl er keineswegs klein war, reichte er ihr nur bis an die kurze Vorderpfote. Er schluckte krampfhaft und machte einen weiteren Schritt.
»Könntest du Heth bitte von mir grüßen? Ich habe mich gefreut, ihn kennenzulernen.«
Jayge wußte, daß er faselte, aber irgendwie glaubte er doch, die richtigen Worte gefunden zu haben.
»Wirklich«, sagte der Junge und zupfte ihn am Ärmel. »Sie tut gar nichts.«
»Sie ist größer, als ich dachte«, flüsterte Jayge.
»Nun, sie ist Bendens Königin. Und«, fügte der Junge stolz hinzu, »der größte Drache auf ganz Pern.«
Plötzlich hob Ramoth den Kopf und grollte drei Drachen an, die im Bogen heranschwebten, um auf den oberen Simsen zu landen. Zwei davon antworteten ihr.
Jayge nützte die Ablenkung, um, so schnell er konnte, an dem Jungen vorbei die Weyrtreppe hinunterzusteigen. Als er den Kesselgrund erreicht hatte, atmete er tief durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Kommen Sie, Sie sollen etwas essen. Die Weyrkost ist gut«, ermunterte ihn der Junge, der ihn wieder eingeholt hatte.
»Ich glaube, ich möchte lieber…«
»Sie können den Weyr nicht ohne eine anständige Mahlzeit verlassen«, beharrte der Junge. »Sehen Sie, Ramoth rollt sich zusammen, um in der Sonne ein Nickerchen zu machen.«
Lessas Beteuerungen taten nur so lange ihre Wirkung, bis Jayge sein erstes Nachtlager aufschlug. Es hatte ihm Auftrieb gegeben, als er in einiger Entfernung über der Straße Drachenreiter auf einem Patrouillenflug sah, doch dann hatten ihm die dichten Äste den Blick versperrt. Fast bis zum Morgengrauen wälzte er sich schlaflos hin und her, ging jedes Wort des Gesprächs noch einmal durch, kämpfte mit seinen Zweifeln, ob es richtig gewesen war, die Weyrherrin zu belügen, und zerbrach sich den Kopf, was sie wohl mit ihrer Warnung vor Privatfehden gemeint haben könnte.
Wenn er nur eine Möglichkeit sähe, Readis von Thella loszueisen. Wer war wohl der dritte Mann, dessen Stimme er gehört hatte? Dushik? Oder Giron? Giron wohl kaum, nicht so dicht an einem Weyr. Und Dushik hatte den Ruf, der schrecklichere Gegner zu sein.
Jayge trieb Kesso schonungslos an und verzichtete auf eine bequeme Unterkunft, um schneller voranzukommen. Im Weyr hatte ihm jemand freundlicherweise einen Sack Getreide an den Sattel gebunden, so daß der Renner wenigstens ausreichend Futter bekam. Nur einmal machte er halt, um Reiseproviant und weiteres Getreide zu kaufen.
Unterwegs hielt er ständig Ausschau nach frischen Spuren von anderen Reisenden, aber Thella und die anderen wären sicher nicht so töricht gewesen, diese belebte Straße zu nehmen.
Endlich hatte er eine Idee. Sobald er auf der Burg Benden eintraf, würde er nach dem schwarzhaarigen Mädchen fragen. Sie hatte einen vernünftigen Eindruck gemacht und würde ihn ernst nehmen. Ihr würde er die Skizze von Readis zeigen und sie vor ihm warnen.
Vor Dushik nahmen sich die Leute gewiß von selbst in acht, so grimmig, wie er aussah, aber Readis wirkte so anständig, und er hatte ein geschicktes Mundwerk.
Viel zu geschickt.
Immerhin hatte er sich noch genug Familienloyalität bewahrt, um Thellas Banditen von der Karawane abzulenken, und deshalb war Jayge seinem Onkel einen Gefallen schuldig.
Müde, durchnäßt vom Regen des vorhergehenden Tages und hungrig traf er auf seinem erschöpften, fußlahmen Tier in der Burg Benden ein. Hier ging offenbar alles seinen gewohnten Gang, wie er zutiefst erleichtert feststellte. Er fragte nach Meister Conwy, der über seine Ankunft überrascht war, ihn aber herzlich willkommenhieß.
»Waren irgendwelche Fremden hier, um nach - dem Mädchen zu fragen, das Drachen hören kann?« erkundigte Jayge sich sofort.
»Aramina?« Meister Conwy zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Du bist also derjenige, der bis zum Weyr geritten ist, um die Leute dort zu warnen. Junge, du hättest deine Sorgen doch nur mir anzuvertrauen brauchen. Wir hätten den Wachdrachen hingeschickt und dir eine lange Reise erspart.«
»Dann hätte ich aber Thella und ihre Bande nicht in der Nähe des Weyrs erwischt.«
Meister Conwy nickte verständnisvoll, um sein nervöses Gegenüber zu beruhigen, nahm Jayge flink Kessos Zügel aus der Hand, scheuchte
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