Die Drachenreiter von Pern 10 - Der Renegaten von Pern
Hauptkorridor - er ist jetzt beleuchtet bis zur vierten Kreuzung.
Die Familie schläft in einer Nische auf der rechten Seite. Rosa Hänger«, fügte er hinzu, seine Bezeichnung für die Stalaktiten in der Höhle. »Dowell hat mir nämlich meinen Stock gemacht.«
Er nahm die Krücke vom Boden und zeigte sie ihr. Als sie die feinen Schnitzereien sah, griff sie danach und sah sie sich genauer an. Offenbar wäre nicht nur die Tochter gut zu gebrauchen, sondern auch der Vater. »Besenholz«, erklärte Brare mit berechtigtem Stolz. »Das Härteste, was es gibt. Dem können nicht einmal die Fäden etwas anhaben. Die Krücke stammt aus einem Stück, das bei dem großen Sturm vor ein paar Planetenumläufen abgerissen wurde. An den Verzierungen hat Dowell den ganzen Winter gearbeitet. Hab ihn auch gut dafür bezahlt.« Er streichelte über das blankgeriebene dunkle Holz.
»Schöne Arbeit.«
»Feste Krücke. Die beste, die ich je hatte!« Plötzlich schien ihn die Verbitterung zu überwältigen, und er entriß Thella den Stock und schleuderte ihn in eine Ecke, wo er nicht mehr zu sehen war. »Ihre Suppe haben Sie gegessen. Verschwinden Sie jetzt. Wenn man Sie hier findet, wirft man mich aus der besten Koje, die ein Einbeiniger jemals kriegen kann.«
Sie erhob sich sofort, nicht etwa, um ihm einen Gefallen zu tun, sondern weil er unweigerlich sentimental wurde, sobald er anfing, über seine Verletzung nachzugrübeln. Sie ging in die Richtung, die er ihr beschrieben hatte, und unterwegs sann sie darüber nach, warum ein so geschickter Handwerker unter den Heimatlosen von Igen leben mußte. Ein solcher Mann sollte eigentlich in jeder Burg sein Auskommen finden.
Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum niemand diesem Höhlenkomplex in Besitz genommen hatte. Es waren genügend Räume vorhanden, wenn auch nicht so schöne hohe Gewölbe wie in der Burg Igen jenseits des Flusses. Gewiß, bei Flut konnte das Wasser in die Hauptgrotte eindringen, und das wäre unangenehm. Die Burg dagegen befand sich in ausreichender Entfernung vom Fluß an einem Steilufer hoch über der Flutlinie.
Zudem war das Labyrinth nicht besonders gut belüftet, aber dafür schillerten einige der Stalaktiten und Stalagmiten, die wie natürliche Trennwände zwischen den einzelnen Nischen aufragten, in Farben von fast überirdischer Schönheit. Je weiter sie ins Innere vordrang, desto mehr verpesteten die Ausdünstungen der zusammengepferchten Menschenmassen die Luft.
Sie war froh um die Leuchtkörbe an den Wänden, denn ohne Licht hätte sie sich bald verlaufen.
In der Nische hinter den rosafarbenen Stalaktiten herrschte peinliche Ordnung, aber sie war leer. Alle Habseligkeiten waren in kunstvoll verzierten Truhen verstaut, auf denen die zusammengerollten Strohsäcke lagen. In einer Ecke lehnte ein geschnitztes Ochsenjoch. Es war mit einer Kette an einem Stalaktiten befestigt, obwohl nur ein Narr ein so auffallendes Stück gestohlen hätte. Thella blieb in der Mitte des Raums stehen und bemühte sich, ein Gefühl für seine Bewohner zu bekommen. Sie mußte Dowells und Barlas schwache Punkte finden, wenn sie erreichen wollte, daß Aramina freiwillig mitkam.
Als von ferne lauter Jubel und Stimmengewirr zu ihr drangen, verließ sie die Grotte und huschte durch weniger belebte Seitenkorridore in ihr Versteck zurück.
Dort schlief sie ein paar Stunden und ließ sich dann verschiedene Strategien durch den Kopf gehen, bis Giron eintraf. Er meldete sich mit leisem Zuruf an. Das war sein Glück, dachte sie, denn sie hatte ein leises Geräusch gehört und hielt das Messer zum Wurf bereit.
Beim Anblick ihres erhobenen Armes knurrte er und trat erst ein, als sie es wieder in die Scheide gesteckt hatte. In einer Hand trug er eine zugedeckte irdene Schale und in der anderen einen Laib Brot.
»Ich habe auf meine Ration gewartet«, sagte er und reichte ihr die Hälfte des Brotlaibs. Ein verlockender Duft nach gedünsteten Muscheln verbreitete sich in dem kleinen Raum, als er den Topf öffnete und hineinspähte. »Es reicht für uns beide.«
Sie wollte schon sagen, sie nehme keine milden Gaben, Thella, die Herrin der Geächteten sei nicht auf Igens Almosen angewiesen, aber das Brot war warm und knusprig, und die Muscheln wirkten sehr saftig.
»Die Schalen kannst du später vergraben«, murmelte sie und griff zu. »Was hast du erfahren? Wurden die Höhlen durchsucht? Hast du sie wiedergesehen? Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß sie echt ist.«
Giron knurrte
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