Die Drachenreiter von Pern 13 - Ankunft
durch die Tür steckte. »Ich lasse den Rest mit Schlitten holen. Können die Drachen…?«
Emily hob die Hand. »Sie treten erst morgen wieder den Dienst an, Joel.«
Joel kniff die Augen zusammen und schnitt eine Grimasse. »Entschuldigung. Morgen ist früh genug.« Dann war er wieder fort.
»Solch eine Armada hat es schon einmal gegeben«, erzählte Jim Theo Force, die für den Einsatz der Delphine zuständig war, als die Southern Cross den Konvoi aus Kahrain Cove herausführte.
»Kaum zu glauben.« Theo betrachtete die Flottille aus bunt zusammengewürfelten Fahrzeugen. In ihrem enganliegenden Tauchanzug, den Sauerstofftank griffbereit über der Schulter hängend, räkelte sie sich auf ihrem Platz in der Plicht. Die kräftigen, gebräunten Beine hatte sie weit von sich gestreckt. Jim hatte eine Schwäche für wohlgeformte Beine, selbst wenn sie von zahllosen Zusammenstößen mit Objekten unter Wasser zerschrammt und vernarbt waren. Außerdem fand er Theo immer attraktiver. Die Enddreißigerin war zwar keine Schönheit im herkömmlichen Sinn, doch ihre eher unscheinbaren Züge spiegelten ihren willensstarken Charakter und ihre Zielstrebigkeit wider.
»Aber es ist wahr«, bekräftigte Jim. Aufmerksam beobachtete er das Hauptsegel, das sich in einer stürmischen Brise blähte. Für Jims Geschmack waren die Wetterbedingungen viel zu launisch, und selbst unter optimalen Umständen war die Führung dieses uneinheitlichen, absurden Konvois kein Kinderspiel. »Das liegt schon sehr lange zurück, doch man erinnert sich immer noch an diese Episode, weil sie einen Lichtblick in der Geschichte der Menschheit darstellt. Damals schafften es Leute, über sich selbst hinauszuwachsen und das schier Unmögliche zu vollbringen.«
»Ach?« Theo hielt Jim Tillek für einen kurzweiligen Unterhalter, und sie liebte es, seinen Anekdoten zu lauschen. Sie wußte, daß er jeden Ozean auf der Erde und viele Meere der neubesiedelten Planeten befahren hatte, wenn er nicht gerade als Captain einer Frachtdrohne interstellare Reisen unternahm. Während der letzten Tage hatte sie Gelegenheit bekommen, die Qualitäten eines Mannes schätzen zu lernen, mit dem sie früher kaum ein Wort gewechselt hatte. Den Konvoi genauso wachsam im Auge behaltend wie er, hörte sie gespannt seiner Schilderung zu.
»Eine halbe Armee saß an einem Strand fest, beschossen von feindlichen Flugzeugen, und wahrscheinlich wären alle bis auf den letzten Mann getötet worden, hätten die örtlichen Skipper kleiner und kleinster Boote sie nicht gerettet. Dünkirchen, so hieß eine Stadt an der Küste, wo die Soldaten auf ihren Untergang warteten. Von der Zone, in der sie in Sicherheit gewesen wären, trennte sie eine vierunddreißig Kilometer breite Meerenge, der sogenannte Ärmelkanal.«
»Bloß vierunddreißig Klicks?« wiederholte Theo verblüfft und hob ihre dunklen Brauen. »Eine so kurze Strecke kann doch jeder schwimmen.«
Jim grinste sie an. »Damals taten das einige wenige Hochleistungssportler, um Rekorde einzuheimsen oder sich einfach einen Nervenkitzel zu gönnen. Doch für dreihunderttausend Soldaten in voller Kampfmontur wäre das ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Außerdem…« – er wackelte mit dem Zeigefinger vor ihrer Nase herum – »gab es damals noch keine Delphine.«
»Stimmt nicht! Delphine hat es schon immer gegeben!«
»Nicht solche, wie wir sie kennen, Theo. Moment mal, wo war ich stehengeblieben?«
Theo kauerte sich auf dem Sitz in der Plicht zusammen und lächelte über den versteckten Tadel. Jims Gesicht war von Sonnenfältchen durchzogen, die ihn älter aussehen ließen, doch der mit einem ärmellosen Hemd und Shorts bekleidete Körper war schlank, durchtrainiert und gebräunt. An Bord eines Schiffs ging er nur barfuß. Seine Zehen waren lang und gelenkig, und einige Male hatte sie gesehen, wie er mit den Zehen ein Tau festhielt.
»Ach ja, die Deutschen hatten dreihunderttausend britische Soldaten am Strand von Dünkirchen festgenagelt. Der Ort lag auf dem europäischen Festland, und da die Briten sich nicht einfach abschlachten lassen oder in einem Kriegsgefangenenlager verrotten wollten, mußten sie einen Weg finden, über den Ärmelkanal in ihre Heimat, England, zu gelangen.«
»Wie waren sie überhaupt über die Meerenge gekommen?«
Jim zuckte die Achseln. Er hatte breite, knochige Schultern und nur wenige Haare auf der Brust, doch Theo mochte das lieber als den dichten Pelz, den sie bei manchen Männern gesehen hatte.
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