Die Drachenschwestern
aus ihrer Decke und
warf erneut einen vorsichtigen Blick auf das ungleiche Paar.
„…nichts Böses! Glaub mir doch endlich!“
Da, jetzt, wo sie sich auf ihn konzentrierte, konnte sie ihn plötzlich
klar und deutlich hören. Leider bemerkten die beiden in diesem Moment, dass sie
wach war und verstummten wie zwei kleine Jungs, die man beim Streiten ertappt
hatte.
„Du bist ja wach“, bemerkte der Drache etwas lahm und zischte Zorro
zu: „Das ist deine Schuld, wärst du nicht so laut gewesen...“ Der Hund
schnappte nach ihm.
„Fertig Schluss ihr beiden. Wenn ihr euch unbedingt zanken müsst,
könnt ihr das gerne draußen machen, aber nicht frühmorgens in meinem Zimmer,
noch bevor ich einen Kaffe hatte!“ Sie stand auf, öffnete die Zimmertür und
schickte die beiden resolut nach draußen. Der Drache war so verblüfft, dass er
widerspruchslos Zorro folgte, der schon die Treppe hinunter gesprungen war.
Kaja schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Uff, was war denn das?
Erst mal duschen, dann denken, beschloss sie.
Nach dem Duschen zog sie sich schon ihre Joggingkleider an und freute
sich darauf, vor dem Laufen mit Mémé noch einen Tee zu trinken und sich mit ihr
über all diese wunderlichen Dinge zu unterhalten, die in diesem Haus vor sich
gingen. Beschwingt ging sie die Treppe hinunter. Weshalb war sie bloß so guter
Laune, fragte sie sich. Sie bog um die Ecke und stutzte. Das durfte doch nicht
wahr sein! Lance saß ganz gemütlich am Küchentisch und Mémé, ja Mémé, stellte
eben eine Schale Milch vor ihn hin und wünschte ihm guten Appetit.
„Sag mal“, brach es aus Kaja heraus, „bin ich denn hier im Tollhaus?
Kennt ihr euch etwa?“ Ihre gute Laune war wie weggeblasen. „Mir reicht es langsam!
Komm Zorro, wir gehen laufen!“ Und weg war sie. Zorro musste sich richtig
beeilen, um noch durch die Tür zu kommen.
Josephine und der Drache schauten ihr verdutzt nach. Sie wandte sich
zu ihm um und schimpfte: „Toll, das hast du ja prima hingekriegt!“ Lance
verdrehte nur die Augen und murmelte: „Weiber…“
Kaja rannte zwanzig Minuten wie vom Teufel gejagt den nächstgelegenen
Hügel hoch. Erst als sie ganz oben angelangt war, hielt sie inne und schaute ins
Tal hinunter. Die frische Luft und die Geräusche des Waldes taten ihr gut. Sie
fiel wieder in einen leichten Trab und folgte dem Grat. Langsam beruhigte sie
sich wieder, denn sie wusste auch, dass sie ein wenig überreagiert hatte. Aber
der Anblick von Mémé, die offensichtlich mit diesem, diesem… Lance auf
freundschaftlichem Fuß stand und über seine Anwesenheit nicht im Mindesten
erstaunt schien, hatte ihr einen Stich versetzt. Sie war sich so ausgeschlossen
vorgekommen, als wüssten alle, was vor sich geht, nur sie nicht. Das war
natürlich Blödsinn. Erstens war Mémé ihre Familie, hier war der einzige Ort, wo
sie sicher wusste, dass sie dazugehörte, komme was wolle. Und zweitens war ja
klar, dass ihre Großmutter wusste, wer oder was sich in ihrem Haus herumtrieb.
Und doch hatte es sie getroffen. Vermutlich, weil es sich so ähnlich angefühlt
hatte wie bei diesem unseligen Gespräch mit ihrem Abteilungsleiter. Da hatte
sie sich auch so hilflos gefühlt. Dieses Gefühl hatte sie so was von satt! Sie
war inzwischen aus dem Wald heraus gekommen und genoss die warmen
Sonnenstrahlen auf ihrem Rücken, während sie das letzte Teilstück abwärts
zurücklegte. Wieder beim Hof angelangt, schaltete sie die Musik in ihrem iPod
von „the strokes“ um auf „café del mar“ und absolvierte ihr Stretchingprogramm,
währenddessen es sich Zorro hechelnd unter einem Baum bequem machte. Als sie
fertig war und sich die verschwitzten Haarsträhnen, die sich beim Rennen gelöst
hatten, aus dem Gesicht strich, fiel ihr auf einmal der gestrige Abend wieder
ein. Ihr wurde ganz heiß, als sie an Tims mehr als eindeutigen Blick dachte.
Überhaupt hatte der Abend gestern ein paar überraschende Momente
bereitgehalten. Sie hätte gar nicht gedacht, dass er so schnell und fast ein
bisschen draufgängerisch die Initiative ergreifen würde und wusste im Moment noch
gar nicht, was sie von dieser ganzen Entwicklung halten sollte. Das hat ja
jetzt auch Zeit, beschloss sie und ging ins Haus, um sich zum zweiten Mal an
diesem Tag unter die Dusche zu stellen. Hoffentlich ohne gleich wieder über den
Drachen zu stolpern!
Sie hatte Glück: ohne von irgendwelchen blauschillernden Ungetümen
behelligt zu werden, ging sie, nun wieder sauber, ins Atelier
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