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Die Drachenschwestern

Die Drachenschwestern

Titel: Die Drachenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Fox
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flüssigen Wachsmischung. Jetzt mussten sie nur noch den richtigen
Zeitpunkt abwarten. Das Wachs musste abkühlen, bis es gerade noch flüssig genug
war, um in die Formen gegossen zu werden. Dann hieß es schnell und präzise zu
arbeiten und erst die Kräuter einzurühren und zum letztmöglichen Zeitpunkt die
ätherischen Öle hinzuzufügen. Denn machte man diese Schritte zu früh, während das
Wachs noch zu heiß war, verdampften die sehr flüchtigen Öle und die Kerze würde
nie ihren wunderbaren Duft entfalten. Wartete man zu lange, klumpten hingegen
die eingestreuten Kräuter zusammen, was dem optischen Eindruck abträglich wäre.
    Sie arbeiteten ruhig Hand in Hand. Ohne viele Worte wusste jede genau,
was zu tun war. Kaja staunte, wie leicht ihr die Arbeit von der Hand ging und
wie viel Spaß es ihr machte.
    Eine Stunde später waren sie fertig. Jetzt mussten die gegossenen
Kerzen 48 Stunden auskühlen, bis sie aus ihrer Form befreit wurden und der
letzte Schritt, das Kürzen der Dochte und das Signieren, gemacht werden konnte.
    Kaja kratzte sich ein paar kleine Wachsspritzer vom Arm, als Mémé aus
der Kammer nebenan rief: „Ich habe hier was für dich. Zwei ältere Gussformen,
eine passende Spule Kerzendocht und eine fertige Wachsmischung. Die Kräuter und
Öle kannst du dir ja im großen Atelier zusammensuchen. Ich gebe dir das alles
mit.“
    „Toll, ich habe
schon verzweifelt überlegt, wo ich all diese Dinge herkriegen soll.“
    „Was ich ganz
vergessen habe, Tim war hier, als du joggen warst.“
    „Du meine Güte,
wie viele Eier isst denn der Mann pro Tag“, fragte Kaja kopfschüttelnd.
    „Er kam nicht wegen der Eier, ich glaube, er wollte dich sehen. Auf
jeden Fall hat er ziemlich enttäuscht ausgesehen, als ich ihm sagte, du seiest
gerade nicht da.“
    „Was wollte er
denn?“
    „Ich glaube, er musste überraschenderweise schon heute wieder zurück
in die Schweiz. Er hat dir auf jeden Fall eine Nachricht hinterlassen. Der Zettel
liegt auf dem Küchentisch.“ „Zettel?“, hakte Kaja lachend nach. „Den musstest du
ihm wohl geben, oder?“
    „Ja, wieso?“
    Kaja erzählte ihr
lachend die Telefonnummer-Agenda-Episode von gestern Abend.
    „Gut, wenn du im Moment meine Hilfe nicht mehr brauchst, gehe ich mal
rüber ins Haus und schaue nach, was er wollte. In Ordnung?“
    „Geh nur, hier gibt es im Moment nichts mehr zu tun. Ich komme auch
gleich. Ich habe dir übrigens noch Tee warm gestellt, nachdem du ja vorhin
nicht dazu gekommen bist, welchen zu trinken.“
    „Danke, du bist ein Schatz!“ Sie drückte Mémé einen Kuss auf die Wange
und verließ das Atelier.
    In der Küche angekommen goss sich Kaja erst mal Tee ein und nahm einen
großen Schluck. Mit der Tasse in der Hand ging sie zum Küchentisch hinüber, um
den Zettel zu lesen. Wo war eigentlich Zorro geblieben? Sie zuckte die Achseln
und vermutete, dass er draußen irgendwelchen Kaninchenjägerträumen nachhing.
    „Liebe Kaja. Es
war wunderschön gestern Abend und ich hatte viel Spaß…“
    Plötzlich hatte sie das Gefühl, jemand schaue ihr über die Schulter.
Sie drehte den Kopf. „Waaah“, schrie sie und machte einen Satz zur Seite.
Direkt hinter ihr hatte der Drache gestanden. Definitiv zu nah für Kajas
Geschmack. Durch ihren Schrei hatte sich Lance seinerseits so erschrocken, dass
er nun auf der anderen Seite der Küche am Herd klebte. Wenigstens stimmte der
Abstand jetzt, wenn sie sich schon mich diesem Ungeheuer im selben Raum
aufhalten musste, dachte Kaja befriedigt. Sie polterte los: „Was fällt dir
eigentlich ein, dich so anzuschleichen. Du hast mich zu Tode erschreckt!“
    „Zu Tode erschreckt, dass ich nicht lache“, schnaubte der Drache. „Ich
bin ja fast in Ohnmacht gefallen wegen deiner Schreierei! Ich dachte, du wirst
in diesem Moment ermordet, abgestochen oder so!“, ereiferte er sich.
    Kaja bemerkte erstaunt, dass sie sich schon beinahe daran gewöhnt
hatte, seine Stimme in ihrem Kopf zu hören. „Und indem du dich zwischen Herd
und Dampfabzug klemmst, wolltest du mich retten?“, erkundigte sie sich
sarkastisch. „Ich sehe schon, Drachen sind auch nicht mehr das, was sie mal
waren. Oder vielleicht waren die Schilderungen der Ritter über eure
Ungeheuerlichkeit und Stärke schon immer übertrieben. Es galt ja schließlich, unschuldige
Jungfrauen zu beeindrucken“, spottete sie weiter.
    So würdevoll, wie das für einen zusammengequetschten Drachen möglich
war, kletterte er vom Herd und meinte pikiert:

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