Die drei Ehen der Grand Sophy
Lord Ombersley auszukeimen. Unzweifelhaft hatte Charles von dieser Seite her viele Lasten auf sich zu nehmen; und da die übrige Familie einfach nur Angst vor ihm hatte, war es weiter nicht verwunderlich, daß ein von Natur aus ernstes und autokratisches Temperament, solchermaßen uneingedämmt, ihn zum Haustyrannen werden ließ. Sophy glaubte nicht, daß diesem Übel nicht abzuhelfen wäre, denn nicht nur hatte Tina sich mit Charles angefreundet, mehr noch: wenn er lachte, unterlag seine ganze Persönlichkeit einer sonderbaren Wandlung. Das Schlimmste, was sie von ihm wußte, war, daß er ein Mädchen, das einem sehr auf die Nerven gehen konnte, zu seiner Braut gemacht hatte. Sie fand es bedauerlich, daß ein vielversprechender junger Mann an eine Frauensperson vergeudet werden sollte, die es sich angelegen sein lassen würde, die minder angenehmen Züge seines Charakters zur Entfaltung zu bringen.
Wegen der Kinder, fand sie, brauchte man sich noch keine Sorgen zu machen, obwohl ihre rasche Auffassungsgabe ihr im Lauf des Abends bewiesen hatte, daß mit Hubert Rivenhall nicht alles zum besten stand. Sie hegte den Argwohn, daß irgendeine geheime Sorge an ihm nagte. Wenn er Salamanca bewunderte oder wenn er mit seinen jüngeren Geschwistern ein dummes Spiel spielte, mochte er das vergessen. Aber wenn nichts ihn ablenkte, fiel er in seine Bedrücktheit zurück, wurde schweigsam, bis irgendein Blick auf ihn fiel; dann begann er sofort wieder zu sprechen, wobei er sich eines übertriebenen, auffälligen Stils befleißigte, wie er wohl unter seinen Freunden üblich war. Sophy, die mit jungen Offizieren Erfahrungen gemacht hatte, meinte, daß er vielleicht in irgendeiner Patsche sitze, die sich weniger ernst erweisen mochte, als ihm selber schien. Natürlich hätte er mit seinem älteren Bruder darüber sprechen sollen, denn wer Mr. Rivenhall nur ansah, konnte nicht mehr bezweifeln, daß er mit jeder Schwierigkeit fertig wurde; Hubert aber war offensichtlich zu scheu, dies zu tun, und da war es vielleicht das Richtige, sein Vertrauen zu seiner Kusine zu ermutigen.
Und gar erst Cecilia: so liebenswert und so hilflos! Es mochte weit schwieriger sein, ihre Angelegenheiten befriedigend zu ordnen, denn Sophy, in einer ganz anderen Schule herangewachsen, hielt es zwar für ungeziemend, ein Mädchen zu einer unerwünschten Ehe zu zwingen, war aber doch keineswegs entschlossen, Augustus Fawnhopes Wünsche zu fördern. Sie war ein praktischer Mensch und hielt Mr. Fawnhope durchaus nicht für einen wünschenswerten Ehemann, denn offenbar fehlte es ihm an den nötigsten Mitteln, und wenn er unter dem Einfluß seiner Muse stand, war ihm zuzutrauen, daß er so irdische Angelegenheiten wie die Verpflichtung, zum Essen nach Hause zu kommen oder irgendeine Sache zu regeln, darüber vergaß. Gewiß war er einem älteren Herrn mit Mumps vorzuziehen, und wenn Cecilias Leidenschaft sich als ernster herausstellte und nicht nur eine vorübergehende Verblendung war, dann mußten ihre Freunde eben für Mr. Fawnhope einen gutbezahlten und angenehmen Posten finden, bei dem sein gutes Aussehen und sein Charme seine unsteten Gewohnheiten ausglichen. Sophy sann noch über einen solchen Posten nach, als sie einschlummerte.
Das Frühstück wurde in Ombersley House in einem kleinen, nach rückwärts gelegenen Sitzzimmer serviert. Nur die drei Damen versammelten sich gegen neun Uhr um den Tisch, denn Lord Ombersley, ein Mann langer Nächte, verließ sein Schlafzimmer nie vor Mittag und seine beiden älteren Söhne hatten eine Stunde früher gefrühstückt und waren ausgeritten.
Lady Ombersley, in deren Leben durchschlafene Nächte selten waren, hatte einen Teil der durchwachten Stunden damit verbracht, Zerstreuungen für ihre Nichte auszudenken. Als sie nun dünne Schnitten trockenen Toasts in den Tee tunkte, entwarf sie das Programm eines kleinen Hausballs. Cecilias Augen leuchteten auf, aber sie sagte zweifelnd: »Wenn Charles nur damit einverstanden ist!«
»Liebste, dein Bruder hat gegen vernünftige Vergnügungen nichts einzuwenden. Ich hatte ja natürlich nicht gemeint, daß wir einen großen Ball veranstalten würden.«
Sophy, die mit einiger Betrübnis zugesehen hatte, wie lustlos Lady Ombersley ihren Tee-Toast verzehrte, sagte: »Mir wäre es unsäglich lieber, wenn ihr euch nicht um meinetwillen Unannehmlichkeiten zuziehen wolltet.«
»Ich bin aber fest entschlossen, dir zu Ehren eine Gesellschaft zu geben«, sagte Lady Ombersley
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