Die drei Ehen der Grand Sophy
Miss Stanton-Lacy, so viel Mitgefühl. Wie oft müssen Sie die Mutter entbehrt haben!«
»Aber gar nicht. Verschwenden Sie Ihr Mitgefühl nicht auf mich – ich habe nie nach einer Mutter verlangt, denn ich hatte ja Sir Horace.«
»Männer sind doch nicht dasselbe«, meinte Miss Wraxton.
»Dagegen läßt sich nichts sagen. Wie gefallen Ihnen meine Pferde?«
Miss Wraxton legte ihr die Hand auf das Knie. »Darf ich ohne Rückhalt sprechen?« bat sie.
»Wenn ich den Wagen nicht umwerfen will, kann ich Sie kaum hindern«, gestand Sophy. »Aber Sie täten klüger, es bleiben zu lassen. Ich bin schwer zu zügeln, und wenn ich außer Rand und Band gerate, dann tue ich vielleicht etwas, was ich nachher bedauern muß.«
»Aber ich muß sprechen«, sagte Miss Wraxton ernst. »Das bin ich Ihrem Cousin schuldig.«
»Nein, wirklich! Und was ist es?«
»Sie werden verstehen, daß er die Sache nicht selbst vor Ihnen erwähnen möchte. Sein Zartsinn –«
»Ach, und ich dachte, Sie sprechen von Charles! Welchen meiner Cousins meinen Sie?«
»Ich spreche von Charles.«
»Unsinn! Den behindert sein Zartsinn nie.«
»Glauben Sie mir, Miss Stanton-Lacy, diese gewollte Art, Dinge leichtzunehmen, steht Ihnen nicht«, sagte Miss Wraxton, nun schon weniger süß. »Sie wissen offenbar nicht, was hier von einer Frau von Stand erwartet wird. Oder – verzeihen Sie! – wie fatal es werden kann, Anlaß zu Klatsch zu geben, der den Rivenhalls ebenso peinlich sein muß wie doch wohl auch Ihnen.«
»Was, um Himmels willen, kommt jetzt?« fragte Sophy verwundert. »Sie können doch nicht so vorsintflutlich sein, sich einzubilden, daß ich Anlaß zu Klatsch gebe, wenn ich einen etwas hochgebauten Phaeton fahre?«
»Nein, obwohl man es zweifellos vorgezogen hätte, Sie in einem weniger sportlichen Fahrzeug zu sehen. Aber die Gepflogenheit lässigen Umgangs mit Leuten vom Militär – Faiseuren in roten Jacken, wie Charles sich unlängst erst ausdrückte – und besonders mit dem Mann, mit dem ich Sie eben erst traf, muß den Eindruck erwecken, daß Sie ein wenig … emanzipiert sind, meine liebe Miss Stanton-Lacy, und darauf können Sie es doch unmöglich abgesehen haben. Der Umgang mit Sir Vincent kann zu keinen wünschenswerten Folgen führen, ganz im Gegenteil! Eine bestimmte Lady – eine sehr tonangebende – ließ erst heute vor mir eine Bemerkung darüber fallen, daß er sich so auffällig an Sie anschließt.«
»Die Dame ist wohl selbst interessiert?« fragte Sophy. »Ja, ja, er ist unleidlich, und die Art, wie er flirtet! Und hat mein Cousin Charles Sie gebeten, mich vor diesen Faiseuren zu warnen?«
»Nicht ausdrücklich gebeten«, antwortete Miss Wraxton, peinlich bemüht, nicht von der Wahrheit abzugehen, »aber er hat sich in diesem Sinn geäußert, und ich weiß, wie er empfindet. Die Gesellschaft wird harmlose Streiche, wie die Spritztour in Charles’ Karriole, mit wohlwollendem Lächeln hinnehmen, solange Lady Ombersleys Schutz Sie feit.«
»Habe ich ein Glück!« sagte Sophy. »Finden Sie es eigentlich vorsichtig, sich in meiner Gesellschaft sehen zu lassen?«
»Sie spötteln, Miss Stanton-Lacy.«
»Nein, ich fürchte ernstlich, daß Sie Schaden nehmen könnten, wenn man Sie in einem solchen Vehikel sieht und in Gesellschaft einer Emanzipierten, wie ich es bin.«
»Kaum«, sagte Miss Wraxton freundlich. »Vielleicht wird man es ein wenig sonderbar an mir finden, denn ich selbst kutschiere nie in London, aber mein Charakter ist hinlänglich anerkannt, ich kann mir etwas erlauben, sofern ich es will, was andere klugerweise lieber vermeiden.«
Sie kamen gerade in Sicht des Ausgangs bei Apsley House. »Lassen Sie mich also der Sache auf den Grund gehen«, bat Sophy. »Wenn ich zum Beispiel in Ihrer Gesellschaft etwas ganz Unmögliches täte, wäre Ihre Position sicher genug, um auch mich zu decken?«
»Wir wollen sagen: das Ansehen meiner Familie, Miss Stanton-Lacy. Da könnte ich ohne Zögern antworten: ja.«
»Kapital!« sagte Sophy und lenkte ihre Pferde zum Tor.
Miss Wraxton verlor ein wenig ihre Sicherheit und fragte: »Was tun Sie da, bitte?«
»Ich will jetzt etwas tun, was ich immer schon habe tun wollen, seit man mir gesagt hat, ich dürfte es um meiner selbst willen nicht. Wissen Sie, so etwas lockt mich wie Blaubarts Kammer.«
Der Phaeton schwankte auf die Straße hinaus und machte eine jähe Wendung nach links, entging dabei mit knapper Not einem Zusammenstoß mit einem schweren Lastwagen. Miss
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