Die drei Frauen von Westport
hinblättern müssen. Betty sinnierte darüber, was für ein lustiger Ausdruck »hübsches Sümmchen« war, und nahm nur noch am Rande wahr, wie dieTante ihre Litanei fortsetzte: »Gabeln, Messer, Löffel … der ganze Krempel. Zücken Sie Ihre Scheckbücher, meine Damen.«
Gegen Ende derTeeeinladung stieß R oberts zu ihnen. Seit ihrer Zeit in Palm Springs hatten ihn dieWeissmann-Frauen schon öfter wieder zu Gesicht bekommen, aber in dem Herrenhaus an der Beachside Avenue hatten sie nicht mit ihm gerechnet.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie mit den Maybanks bekannt sind«, sagte Betty und dachte mit einer gewissen Kälte an Kit.
» R oberts ist sehr diskret«, sagteTante Charlotte. »Er regelt alle meine rechtlichen Angelegenheiten.«
»Nicht ganz alle, leider«, wandte R oberts ein.
»Er wird für mich diese Sessel versteigern, nicht wahr, mein Lieber?«
»Ich hoffe aufrichtig, dass dies nicht der Fall sein wird, Charlotte.«
Miranda saß in dem anderen Sessel, und Henry hatte sich auf ihrem Schoß eingekuschelt. Sie ließ ihreWange auf seinem Kopf ruhen und atmete seinen Duft ein. So lange Zeit hatte sie sich innerlich zerfetzt und desorientiert gefühlt, eine Frau ohne Heimat, und nun war sie auch noch bankrott, aber das war alles nicht wichtig. Denn hier war Henry, wie Odysseus zurückgekehrt von einer endlos langen R eise.
Als Henrys Mutter ihr noch ein Stück Kuchen anbot, sagte Miranda: »Henry sieht Ihnen so ähnlich.« Sie schaute zu Henry hinunter. »Obwohl …«
»Obwohl er genau aussieht wie Kit?« Leanne strich dem Kleinen durchs Haar und berührte dabei versehentlich MirandasWange. »Verzeihung«, sagte sie und zog rasch ihre Hand zurück.
Miranda holte tief Luft. Henrys Nähe, die sanfte Berührung der Frauenhand, eine Zärtlichkeit, die eigentlich für den kleinen Jungen bestimmt war – Miranda war gerührt, fast denTränen nahe.
Leanne lächelte, wobei sie Henry extrem ähnlich sah, und entfernte sich.
Wirklich, Miranda, du wirst immer absurder – wie Josie immer zu ihr gesagt hatte.
»Was haben Sie denn, meine Liebe? Mögen Sie Ihren Kuchen nicht?«, fragte die alte Frau.
Miranda zwang sich zu einem Lächeln. »Ich? Doch, doch. Er ist köstlich.«
»Dann essen Sie doch auf«, sagteTante Charlotte und beäugte gierig Mirandas unberührtes Kuchenstück. »Wo gehobelt wird, fallen Späne.«
Etwa einen Monat nach derTeeeinladung kehrten Lou und R osalyn aus Palm Springs zurück, und am nächstenTag schon klopfte Lou an die Haustür desWeissmann-Cottage. Er wollte die Einladung zur Party anlässlich ihrer R ückkehr persönlich überbringen.
»Alle wieder vereint!«, sagte er. »Was für ein Anlass!«
Annie wurde von ihrem enthusiastischen Cousin in die Arme geschlossen und sann in dieser Stellung darüber nach, was sie wohl davon hielt, in Kürze wieder an die ausladende Brust von Cousin Lous Großfamilie gezogen zu werden. Abgesehen von all den Leuten, die sie nicht gut kannte, mochten sich dort auch solche einfinden, die sie gerne niemals kennen gelernt hätte – Amber und Gwen zum Beispiel. Würden die auch bei der Party sein?Womöglich würden sie Frederick mitbringen. Und der würde vielleicht seine Schwester mitbringen, Felicity …
»Eine große Gemeinschaft, deine Familie«, sagte Annie, als Cousin Lou sie wieder losließ.
In diesem Moment kam Miranda hereinspaziert, gefolgt von Henry und dessen Mutter, Leanne.
»Cousin Lou! Du bist wieder da!« Miranda fiel Cousin Lou um den Hals.
»Du siehst prächtig aus«, sagte der. Als er Miranda zum letzten Mal gesehen hatte, hatte sie so bedrückt und abwesend gewirkt. Er wollte dafür sorgen, dass sie wieder fröhlich und anwesend war. »Du hast R osenwangen.«
Miranda lächelte. Sie ist unwiderstehlich, erinnerte sich Cousin Lou plötzlich wieder. Doch seit einiger Zeit war sie so … unbedeutend gewesen. Das war das treffendeWort für die Miranda aus Palm Springs.Verstimmt, abwesend, stumm, unscheinbar. Jetzt jedoch kam ihr strahlendes, lebhaftes Lächeln wieder zumVorschein, das herausfordernd und beruhigend zugleich war. Das hatte er eine Ewigkeit nicht mehr zu Gesicht bekommen. Cousin Lou seufzte zufrieden. Er liebte es, Menschen glücklich zu sehen.
Doch wie gelang es Miranda nur, in ihrer Lage zu lächeln? Er hatte gehört, dass sie pleite war. R osalyn hatte gesagt, die Agentur wäre nicht mehr existent. Miranda besaß keinen Cent mehr.
Beim Gedanken an Bankrott wurde Cousin Lou ganz übel.
Was für eine tapfere
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