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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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Picknick werden«, sagte er dann in liebevollerVerzweiflung, und die beiden sahen sich an und lächelten. Annie beugte sich so weit zu ihrer Mutter vor, wie ihr Sicherheitsgurt es zuließ, und küsste sie auf dieWange.
    Betty antwortete mit einem schmatzenden Kussgeräusch, ohne jedoch den Blick von der Straße zu wenden. Sie war als junges Mädchen häufig mit ihren Eltern inWestport gewesen, und zwar immer dann, wennTante Millie sich dort wieder ins Sanatorium begeben hatte, ein großes weißes Gebäude an der Post R oad, in dem damals reiche Alkoholiker und Manisch-Depressive behandelt wurden;Tante Millie gehörte beiden Gruppen an. Das Sanatorium war schon vor vielen Jahren abgerissen und in einen Park verwandelt worden.
    »Wie furchtbar«, murmelte Betty, als sie an dem Gelände vorüberfuhren, und schüttelte den Kopf über diese unglückselige Entwicklung.
    Annie verzog das Gesicht und versuchte, im R ückspiegel Blickkontakt mit Miranda aufzunehmen, doch die starrte aus dem Fenster auf das, was heute Winslow Park hieß, und gab ihrerWehmut über dasVerschwinden der Nervenheilanstalt durch einen tiefen Seufzer Ausdruck. Miranda saß immer vorne, weil ihr als Kind auf dem R ücksitz grundsätzlich schlecht geworden war. Als Annie dann in der Pubertät war, hatte sie bei einem Ausflug einmal gefragt, ob Miranda das nicht inzwischen überwunden habe.
    »Ich meine, woher sollen wir das denn wissen, wenn sie nie mehr hinten sitzt?«, hatte sie ihre Mutter damals gefragt, die auch nach hinten verbannt war.
    »Das ist die Schönheit der Ironie, mein Schatz«, hatte Betty geantwortet, woraufhin Annie diese Frage nie wieder gestellt hatte.
    Einen Moment lang wurde Annie angst und bange bei der Vorstellung, monatelang mit ihrer Mutter und Schwester zusammenzuleben. Doch dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass sie sich auf diese Idee mit dem Houghteling-Cottage eingelassen hatte, weil die beiden andernfalls so lange in illustrer Armut hier leben würden, bis kein Cent mehr auf irgendeinem Konto war, weshalb sie dann irgendwann bei ihr einziehen müssten.
    Annie hielt sich vor Augen, dass sie immerhin noch eineWohnung besaß, die sie möbliert für nur zehn Monate untervermietet hatte. Innerhalb dieser Zeitspanne würde die Evakuierung in die Provinz für Betty und Miranda gewiss ihren R eiz verloren haben.
    Betty bog in eine von Bäumen überschattete Straße ein, die zum Strand führte.Vor ihnen erstreckte sich der Long Island Sound, ein stiller Streifen blauesWasser. Der Himmel war klar, und am Horizont sah man Long Island als dunkle geschwungene Linie.
    »Cape Cod ist es nicht gerade«, äußerte Miranda.
    »Wir haben keine Cousins in Cape Cod«, entgegnete Annie. Ihre Schwester war zum x-ten Mal inWestport gewesen. Erwartete sie jetzt etwa gischtendeWellen und hohe Dünen?
    Dennoch bemerkte Annie mit bedeutungsvollem Unterton: »Fitzgerald hat hier gelebt. Ich glaube, er und Zelda wurden inWestport gleich aus zwei Häusern rausgeschmissen.«
    Das schien Miranda zu versöhnen. »Zwei Häuser«, flüsterte sie und blickte nun schon beeindruckter auf den Sound.
    »Und Zelda ist am Compo Beach geschwommen«, fügte Annie bekräftigend hinzu, wobei ihr auffiel, dass sie selbst auch hier schwimmen und damit das Geld für ihr Fitnessstudio in New York einsparen könnte. »KeinWellengang, hin und zurück die perfekte Länge, und man hat seine Bahnen geschwommen …«
    »Ach, Annie. Du mit deinen Bahnen.«
    Das Cottage allerdings war ein Fall für sich. Annie wurde etwas mulmig, als sie auf der unbefestigten Zufahrt neben dem Haus hielten. Es sah nämlich wenig einladend aus: ein leicht schiefes Gebilde von 1929 mit dumpfgrauen Schindeln. Die Lamellenfenster entlang der vorderenVeranda waren altmodisch und ausgebleicht. Ein abgetretener Pfad neben einer verwilderten Hecke führte zu einer Lamellenhaustür. Das halb verfallene Gartentor stand offen, mit einer Ecke im Boden verkeilt, wie ein müßiger Beobachter, den das verwahrloste Haus nicht im Geringsten interessierte. EinTrampelpfad, der nur aus rissiger Erde bestand, schien den gesamten Garten einnehmen zu wollen und stieß lediglich auf den Widerstand vereinzelter Süßgräser.
    Das Cottage.
    Es war ein Schuppen, eine Hütte, bestenfalls ein Gartenhaus, schmutzig und verkommen.
    »Oh«, sagte Annie bestürzt.
    Aber ihre Schwester und ihre Mutter waren schon aus dem Auto gesprungen und stießen Freudenschreie aus. Wie urig! Und so entzückend altmodisch! Denk doch nur an

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