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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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im Wald.
    Betty gab ihr Bestes beim Kochen. »Es kommt mir vor, als hätte ich schon seit Ewigkeiten keinenTruthahn mehr gemacht«, sagte sie. »Ich frage mich, warum.«
    »Fragst du dich, warum es dir so vorkommt oder warum du keinen mehr gemacht hast?«, fragte Annie.
    »Ach, Annie«, sagten Betty und Miranda.
    »Ach, Mom«, sagten die beiden Jungen.
    »Ich weiß nicht, wie du das auf diesem Herd überhaupt hingekriegt hast«, sagte Annie, um von sich abzulenken.
    »Ich habe das R ezept von Martha genommen, das sie in ihrer Sendung angibt. Das von Lydia mochte ich zwar lieber, und dieses Mädchen mit der furchtbaren Stimme hatte einige recht interessante auf Lager. Aber ich wollte ihr dieTreue halten.«
    »Wem, Martha?«
    »Sie hat so viel durchgemacht. Und sie hat mal inWestport gelebt.«
    »Das gilt auch für die Hauptdarstellerin von Hinter der grünen Tür . Vielleicht sollten wir uns den mal auf DVD holen«, bemerkte Annie.
    »Einer meiner Lieblingsfilme, Schatz«, erklärte Betty.
    Die anderen starrten sie fassungslos an.
    »Katharine Hepburn«, fuhr Betty fort. »›Die Calla … welch seltsame Blumen …‹ Sie ist inWestport aufgewachsen?«
    Niemand korrigierte Betty. Sie war sichtlich so glücklich, das Essen zuzubereiten, es auf den gutenTellern zu servieren, mit den Jungs den Tisch abzuräumen.
    »Und jetzt auf zu unserem traditionellen Thanksgiving-Spaziergang«, verkündete sie, nachdem Annie und Miranda das Geschirr gespült hatten. Und obwohl niemand sich daran erinnern konnte, jemals an Thanksgiving einen Spaziergang gemacht zu haben, zogen alle Mäntel, Schals und Handschuhe an und wanderten mit Betty zum Strand.
    Charlie und Annie gingen Hand in Hand, ein wenig hinter den anderen.
    »Opa Josie hat mich angerufen«, platzte Charlie heraus und warf seiner Mutter einen fragenden Blick zu.
    »Ach ja?«, sagte Annie in möglichst neutralemTonfall, obwohl sie diese Information innerlich auf die Palme brachte. Wie konnte Josie es wagen, so etwas hinter ihrem R ücken zu tun?
    »Er wollte gern in Kontakt bleiben.Trotz der Scheidung, weißt du. Er meinte, er wolle uns nicht verlieren, Nick und mich. Ich wollte es Oma lieber nicht sagen. Nick hat er auch angerufen. Ist das okay, Mom? Ich meine, es schien ihm wirklich wichtig zu sein. Er hat gesagt, wir fehlen ihm … und die anderen auch. Hat mir auch einen Scheck zuWeihnachten geschickt – was ich echt nett von ihm fand.«
    Annie blickte über das dunkleWasser zur Nordküste von Long Island, einem schwarzen Strich am grauen Horizont. Die Luft war klar und kalt. Nein!, hätte sie am liebsten geschrien. Es war nicht echt nett von Josie, dass er Charlie anrief und Mitleid erweckte und ihm Geld schickte und sich Sympathien erkaufte, während Betty mittellos dastand. Du solltest deine Sympathien an andere Menschen verteilen, Charlie, hätte sie gerne gesagt und ihren Sohn an den Schultern gerüttelt.
    »Ich hab das Geld für das Flugticket benutzt«, fügte Charlie hinzu. »Damit ich dich und Oma sehen kann.«
    »Das war eine gute Idee«, sagte Annie schließlich. Schütze dein Kind, Annie. Schütze es vor Eitelkeit und Gier, vor der R ealität – der R ealität seines Großvaters. Dennoch entfuhren ihr dieWorte: »Er ist ein Dreckskerl.«
    »Ich weiß«, sagte Charlie beruhigend. »Ich weiß.«
    »Es freut mich, dass er offenbar überhaupt irgendeinVerantwortungsgefühl hat«, sagte Annie. »Höre ich mich erbittert an? Ich bin’s auch. Aber es ist nicht einfach, erbittert zu sein über jemanden, den man liebt. Du musst also jedenfalls nicht erbittert sein. Das ist mein Job.«
    »Unklare Aussage, Mom.«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Wie geht’s dir denn?«, fragte Charlie nach einerWeile. »Kommst du hier zurecht?«
    Er blieb stehen, nahm ihre Hände und blickte sie ernsthaft an. Annie dachte, wie wunderbar und liebevoll er aussah und was sie doch für ein Glück hatte. »Na ja«, sagte sie, plötzlich von Dankbarkeit überwältigt – ein Mensch, zu dem sie offen sein konnte! –, »manchmal ist es nicht einfach …« Doch noch während sie sprach, merkte sie, dass Charlie die Frage zwar aus Fürsorglichkeit gestellt hatte, aber eigentlich erwartete, dass sie als seine Mutter ihm die Sorgen nehmen würde, so wie sie ihn früher nach einem Albtraum beruhigt und getröstet hatte. »Aber wir kommen prima zurecht«, fügte sie rasch hinzu.
    Charlie sah erleichtert aus.
    »Wir haben ja nicht mehr zusammengewohnt, seit Miranda und ich klein waren.«

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