Die drei Musketiere 2
Tasche,
»ich habe halb acht Uhr.«
»Sieben Uhr fünfunddreißig Minuten«, entgegnete Athos.
123
»Wir wissen also, daß meine Uhr um fünf Minuten vorgeht.«
Die jungen Leute grüßten die Umstehenden und schlugen den Weg nach der Bastei Saint-Gervais ein, hinter ihnen schritt Grimaud, der den Korb trug, ohne zu wissen, wohin er ging.
Solange sie noch innerhalb des Lagers waren, wechselten die vier Freunde kein Wort. Es folgten viele Neugierige, die von der eben geschlossenen Wette wußten und sehen wollten, wie sie sich aus der Klemme ziehen würden. Aber sobald sie die Umschützungslinie hinter sich hatten und sich in freiem Gelände befanden, glaubte d’Artagnan, es sei Zeit, sich eine Aufklärung zu erbitten.
»Und nun, mein lieber Athos«, sagte er, »habt die Güte mir zu erklären, wohin wir gehen.«
»Ihr seht es ja«, antwortete Athos, »wir gehen in die Bastei.«
»Aber was machen wir dort.«
»Ihr wißt es ja, wir frühstücken dort.«
»Aber warum frühstücken wir nicht beim Parpaillot?«
»Weil wir uns wichtige Dinge zu sagen haben, und weil das beim Parpaillot unmöglich wäre. Hier wird man uns wenigstens nicht stören.«
»Es scheint mir«, sagte d’Artagnan, »wir hätten einen verborgenen Ort auf den Dünen am Meeresufer finden können.
«
»Wo man unsere Beratung gesehen hätte, so daß nach einer Viertelstunde der Kardinal durch seine Spione davon benachrichtigt gewesen wäre. Es ist also besser, wir beenden unser Unternehmen, von dem wir übrigens ehrenhalber nicht mehr zurücktreten können. Wir sind eine Wette eingegangen, eine Wette, die nicht vorhergesehen werden konnte, und deren wahre Ursache sicher niemand errät. Um zu gewinnen, halten wir eine Stunde in der Bastei aus. Entweder wir werden angegriffen, oder wir werden nicht angegriffen. Wenn nicht, so haben wir genügend Zeit, uns zu besprechen, und niemand wird 124
uns hören, denn ich stehe dafür, daß die Mauern dieser Bastei keine langen Ohren haben. Greift man uns an, so besprechen wir uns trotzdem und bedecken uns durch unsere Verteidigung mit Ruhm. Ihr seht, daß alles für uns ist.«
»Ei«, rief d’Artagnan, »wir werden sicher eine Kugel erwischen.«
»Aber, mein Lieber«, erwiderte Porthos, »mir scheint, für ein solches Unternehmen hätten wir wenigstens unsere Musketen mitnehmen sollen.«
»Ihr seid ein Tor, Freund Porthos, warum sich mit einer unnützen Bürde belasten?«
»Ich finde, eine gute Muskete mit zwölf Patronen und dem Pulversack ist dem Feind gegenüber nicht unnütz.«
»Wie«, sagte Athos, »Ihr habt nicht gehört, was d’Artagnan gesagt hat?«
»Was hat er gesagt?« fragte Porthos.
»D’Artagnan hat erzählt, bei dem Angriff in dieser Nacht seien acht bis zehn Franzosen und ebensoviel Rocheller getötet worden.« – »Und?« – »Man hat keine Zeit gehabt, sie zu plündern, nicht wahr? Weil man im Augenblick Eiligeres zu tun hatte?«
»Nun?« – »Nun, wir werden ihre Musketen, ihre Pulversäcke und ihre Patronen finden, und statt vier Musketen und zwölf Kugeln haben wir fünfzehn Gewehre und können wohl hundert Schüsse tun.
»Oh! Athos«, rief Aramis, »du bist in der Tat ein großer Mann.«
Porthos nickte mit dem Kopf zum Zeichen seiner
Zustimmung.
D’Artagnan allein schien noch nicht überzeugt.
Offenbar teilte Grimaud die Zweifel des jungen Mannes, denn als er sah, daß man fortwährend auf die Bastei zumarschierte, was er bisher nicht recht hatte glauben wollen, zog er seinen 125
Herrn am Rockschoß.
»Wohin gehen wir?« fragte er mittels einer Geste.
Athos zeigte auf die Bastei.
»Aber da müssen wir ja unsere Haut lassen«, fuhr der schweigsame Grimaud in derselben Zeic hensprache fort.
Athos hob Augen und Finger gen Himmel. Grimaud stellte den Korb auf den Boden und setzte sich kopfschüttelnd daneben. Athos zog eine Pistole aus seinem Gürtel, sah nach, ob sie gut geladen sei, spannte sie und setzte den Lauf an Grimauds Ohr.
Dieser war mit einem Satz wieder auf den Beinen. Athos bedeutete ihm nun, den Korb zu nehmen und vorauszugehen. Er gehorchte. Alles, was Grimaud bei dieser kurzen Pantomime gewonnen hatte, war, daß er nun anstatt die Nachhut den Vortrab bildete.
Als die vier Freunde die Bastei erreichten, wandten sie sich um. Mehr als vierhundert Soldaten aller Waffengattungen waren an einem Tor des Lagers versammelt, und man konnte in einer besonderen Gruppe Monsieur de Busigny, den Dragoner, den Schweizer und den vierten Teilnehmer an der
Weitere Kostenlose Bücher