Die drei Musketiere 2
sagte Athos, »ich sehe, Ihr erkennt mich.«
»Der Comte de la Fère!« murmelte Mylady erbleichend und wich immer mehr zurück, bis die Wand sie hinderte,
weiterzugehen.
»Ja, Mylady«, antwortete Athos, »der Comte de la Fère in Person, der eigens von der andern Welt zurückkommt, um das Vergnügen zu haben, Euch zu sehen. Setzt Euch und plaudern wir, wie der Kardinal sagt.«
Von einem namenlosen Schrecken erfaßt, setzte sich Mylady, ohne eine Silbe hervorzubringen.
»Ihr seid ein auf die Erde geschickter Teufel«, sagte Athos,
»Eure Macht ist groß, ich weiß es, aber Ihr wißt auch, daß die Menschen oft mit Gottes Hilfe die furchtbarsten Teufel besiegt haben. Ihr habt Euch schon einmal auf meinem Wege gezeigt, ich glaubte Euch niedergeschmettert zu haben, aber wenn mich nicht alles trügt, hat Euch die Hölle ausgespien.«
Bei diesen Worten, die gräßliche Erinnerungen in ihr zurückriefen, ließ Mylady mit einem dumpfen Seufzer das Haupt sinken.
»Ja, die Hölle hat Euch wieder geschickt, die Hölle hat Euch einen anderen Namen gegeben, die Hölle hat Euch reich gemacht, die Hölle hat Euch fast ein neues Gesicht verliehen, aber sie hat weder die Flecken Eurer Seele noch das Brandmal Eures Leibes getilgt.«
Mylady stand auf, wie von einer Feder geschnellt, und ihre Augen schleuderten Blitze. Athos blieb ruhig sitzen.
»Ihr hieltet mich für tot, nicht wahr, wie ich Euch für tot hielt, und der Name Athos verdeckte den Comte de la Fère, wie der Name Lady Winter Anna de Breuil? Nanntet Ihr Euch nicht so, 116
als Euer ehrenwerter Bruder unsere Ehe schloß? Unsere Lage ist in der Tat seltsam«, fuhr Athos lachend fort, »wir lebten bis jetzt beide nur, weil wir uns gegenseitig für tot hielten, und weil eine Erinnerung weniger beengt als ein lebendes Wesen, obgleich auch eine Erinnerung verzehren kann.«
»Sprecht«, sagte Mylady mit dumpfer Stimme, »was führt Euch zu mir, und was wollt Ihr von mir?«
»Ich will Euch sagen, daß ich Euch, obgleich unsichtbar für Eure Augen, nicht aus dem Gesicht verloren habe!«
»Ihr wißt, was ich getan habe?«
»Ich kann Euch Eure Handlungen Tag für Tag erzählen, seit Eurem Eintritt in den Dienst des Kardinals bis zu diesem Abend.«
Ein ungläubiges Lächeln zog über Myladys bleiche Lippen.
»So hört! Ihr habt die beiden diamantenen Nestelstifte von der Schulter des Herzogs von Buckingham geschnitten. Ihr habt Madame Bonacieux entführen lassen, Ihr habt, in den Comte de Wardes verliebt, und im Glauben, diesen zu empfangen, d’Artagnan Eure Tür geöffnet. Ihr wolltet Wardes, weil Ihr glaubtet, er habe Euch betrogen, durch seinen Nebenbuhler töten lassen, Ihr wolltet, als dieser Nebenbuhler Euer schmachvolles Geheimnis entdeckt hatte, ihn ebenfalls durch Meuchler, die Ihr ihm nachschicktet, ermorden lassen, Ihr habt endlich in diesem Zimmer, auf dem Stuhl, wo ich jetzt sitze, vorhin gegen den Kardinal die Verbindlichkeit übernommen, den Herzog von Buckingham ermorden zu lassen, und zwar, nachdem Ihr ihm das Gegenversprechen abgenommen, d’Artagnan zum Tode zu befördern.«
Mylady wurde leichenblaß.
»Ihr seid also der Satan in eigener Person?« fragte sie.
»Vielleicht«, erwiderte Athos, »doch hört! Ermordet den Herzog von Buckingham oder laßt ihn ermorden. Daran ist mir wenig gelegen, ich kenne ihn nicht, auch ist er ein Feind 117
Frankreichs; aber krümmt d’Artagnan kein Haar, denn er ist ein treuer Freund, den ich liebe und verteidige. Sonst schwöre ich Euch bei dem Haupt meines Vaters, das Verbrechen, das Ihr zu begehen versucht oder begangen habt, ist Euer letztes.«
»Monsieur d’Artagnan hat mich grausam verletzt«, sagte Mylady dumpf, »er muß sterben.«
»Wahrhaftig, ist es möglich, Euch zu verletzen, Madame?«
rief Athos hohnlachend.
»Er muß sterben! Sie zuerst und dann er.«
Athos war wie von einem Schwindel befallen, der Anblick dieses Geschöpfes, das nichts mehr mit einem Weib gemein hatte, erweckte gräßliche Erinnerungen in ihm. Der Wunsch sie zu töten, kehrte glühend zurück und bemächtigte sich seiner mit fiebriger Gewalt. Er erhob sich, fuhr mit der Hand nach dem Gürtel, zog seine Pistole hervor und spannte sie. Bleich wie eine Leiche, wollte Mylady schreien, aber über ihre kaltgewordene Zunge kam nur ein rauher Ton, dem Röcheln eines wilden Tieres ähnlich. An die Wand gedrückt, erschien sie mit ihren aufgelösten Haaren wie das schauderhafte Bild des Schreckens.
Athos hob langsam die Pistole in
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