Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Porthos interessierte sich sehr für Traubenrosinen, Mandeln und Haselnüsse und griff mit seinen großen Händen in die Säcke hinein, um sich den Mund wacker vollzustopfen. Die Nußschalen zersplitterten unter seinen mächtigen Zähnen, und der Fußboden war binnen kurzem mit Schalen bedeckt, die unter den Füßen der ein- und ausgehenden Kunden knackten. Dann löste er mit den Lippen die großen violetten Muskatrosinen mit solcher Gewandtheit von den Stengeln ab, daß er immer gleich ein halbes Pfund auf einmal verschlang. Das nannte Porthos die Bekanntschaft erneuern.
Die Ladenschwengel hatten sich vor dem Riesen respektvoll in eine Ecke verkrochen und starrten ihn aus gemessener Entfernung mit sehr geteilten Gefühlen an. Sie hatten einen Menschen wie Porthos noch nie gesehen. Das Geschlecht jener Titanen, die in den Rüstungen eines Hugo Capet, eines Franz I. gesteckt, war im Aussterben,und die engbrüstigen Handelsgehilfen fragten sich, ob dieser unheimliche Patron nicht der Werwolf aus dem Märchen sei, der nun den ganzen Laden des Herrn Planchet in seinen unersättlichen Magen schicken werde.
Während Porthos immerfort knackte, kaute und verschlang, sagte er von Zeit zu Zeit: »Sie haben da ein hübsches Geschäft, Herr Planchet.« – »Wir werden es bald zumachen können, wenn das so fort geht,« rief der erste Gehilfe in Heller Verzweiflung und ließ sich hinreißen, auf Porthos loszugehen, der vor einem Fasse gedörrter Aepfel stand. – »Was wünschten Sie, mein Freund?« fragte der Riese herablassend. – »Ich will ins andere Zimmer, bitte lassen Sie mich vorbei,« antwortete der Gehilfe. – »O, keine Umstände!« versetzte Porthos, hob den jungen Mann wie eine Puppe in die Höhe und setzte ihn jenseits des Fasses nieder. Dem Burschen schlotterten die Knie, und er fiel rücklings in eine Kiste voll geräucherter Heringe. Planchet machte gute Miene zum bösen Spiel, und als Porthos zur Abwechslung noch etwa ein halb Pfund Honig geschleckt und einen kleinen Eimer Wasser ausgetrunken hatte, fragte er den Kaufmann: »Wann wird bei Ihnen soupiert? Ich habe Appetit.« – »Wir nehmen nur einen kleinen Imbiß, denn wir reiten heute abend noch nach meinem Landhause,« antwortete Planchet. – »Ah, nach Ihrem Landhause?« rief Porthos, »da bin ich neugierig.« – »Sie erweisen mir zu viel Ehre, Herr Baron,« sagte Planchet.
Als die Ladendiener den unheimlichen Menschen, der doch immerhin kein Werwolf sein konnte, da man ihn »Herr Baron« titulierte, dem Laden den Rückenkehren sahen, atmeten sie auf und sagten: »Gott behüte deinen Ausgang und lasse dich nicht wiederkehren!«
Es war schon spät, als die drei Männer sich auf den Weg nach Fontainebleau machten. Sie legten die Strecke in der vergnügtesten Laune zurück. D'Artagnan beteiligte sich jedoch wenig an der Unterhaltung der beiden andern; er war in Gedanken versunken, und nur einmal sah er lachend auf, als der Baron, der in alter Freundschaft Planchet schon wieder mit Du anredete, dem guten Handelsmann, um seine Zufriedenheit auszudrücken, einen Schlag auf den Rücken gab, wobei das Pferd scheu wurde und mit einem gewaltigen Sprung vorwärts jagte.
»Sieh dich vor Planchet!« rief d'Artagnan, »wem Porthos allzu gut ist, den drückt er platt. Er ist immer noch stark wie ein Bär.« – »O, Mousqueton lebt auch noch, und der Herr Baron ist ihm doch sehr gut,« antwortete Planchet. – »Allerdings,« sagte Porthos mit einem Seufzer, »und ich habe Sehnsucht nach ihm.«
»Meine Herren, wir sind am Ziel,« rief Planchet und sprang aus dem Sattel. Man befand sich vor einem kleinen Häuschen an der Grenze der Ortschaft, hinter welchem man im Mondlicht die weißen Kreuze des Friedhofs schimmern sah. Planchet öffnete das Hoftor, und seine beiden Gefährten trieben ihre Pferde hinein, stiegen ab und folgten ihrem Wirt. Planchet rief einen alten Bauersmann herbei, der zur Besorgung der täglichen Wirtschaftsarbeiten angestellt war, übergab ihm die Pferde und führte seine Gäste in das Haus. Sie betraten ein kleines, gemütliches Zimmer, das durch eine Hängelampe erhellt wurde. Ihr Schein fiel auf ein schneeweißes Tischtuch und ließ die zwei sauberen Gedecke blitzen, die in Erwartung eines Besuchs zurechtgelegtwaren. Hinter dem Tische saß in einem Lehnstuhl eine Frauensperson von etwa dreißig Jahren – eine dralle, runde Wirtschafterin mit rosigen Backen und kirschroten Lippen. Sie schlief und hatte eine schöngefleckte Katze auf dem
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