Die drei Stigmata des Palmer Eldritch
Grausen. Zu viele, um sie ungenutzt verpuffen zu lassen. Obgleich manche – wenn auch nicht in dieser Grube – der Ansicht waren, daß die Kraft zur Verwandlung nicht vom Can-D herrühre, sondern von der Authentizität des Layouts. Er hielt diese Auffassung für unsinnig, gleichwohl hatte sie ihre Anhänger.
Als sie eilig Sam Regans Kabine betraten, sagte Fran: »Ich würde gern was mit dir kauen, Sam, aber du mußt mir versprechen, daß wir, solange wir auf Terra sind, nichts tun, was ... Du weißt schon. Was wir nicht auch hier tun würden. Nur weil wir Pat und Walt sind, können wir nicht einfach tun und lassen, was wir wollen.« Sie bedachte ihn mit einem warnenden Stirnrunzeln, zum Tadel für sein früheres Benehmen und dafür, daß er sie ungefragt hierher gebracht hatte.
»Du glaubst also doch, daß wir dann wirklich auf der Erde sind.« Über diese grundlegende Frage hatten sie schon häufig diskutiert. Fran neigte zu dem Standpunkt, die Verwandlung sei nur vorgespiegelt, eine verzerrte Wahrnehmung dessen, was die Kolonisten »Akzidenzien« nannten – die rein äußerlichen Manifestationen von Orten und Gegenständen, nicht deren eigentliche Substanz.
»Ich glaube«, sagte Fran langsam, löste ihre Finger aus seiner Umklammerung und ging zur Kabinentür, »daß, egal, ob es sich um eine Ausgeburt unserer Fantasie, eine drogeninduzierte Halluzination oder eine tatsächliche, durch eine uns unbekannte Kraft hervorgerufene Translokation vom Mars zu unserer alten Erde handelt ...« Sie warf ihm einen strengen Blick zu. »Wir sollten enthaltsam bleiben. Um die Erfahrung der Kommunikation nicht zu beflecken.« Sie beobachtete, wie er das Metallbett vorsichtig von der Wand abrückte und einen langen, dünnen Haken in den freigelegten Hohlraum schob. »Die Kommunikation soll eine läuternde Erfahrung sein«, sagte sie. »Wir lassen unsere fleischliche Hülle, unsere Leiblichkeit, wie man so sagt, zurück. Und schlüpfen in einen geistigen Körper, eine Zeitlang wenigstens. Oder für immer, wenn man, wie viele Kolonisten, daran glaubt, daß wir uns außerhalb von Zeit und Raum bewegen, daß wir ewig sind. Verstehst du das, Sam?« Sie seufzte. »Nein, wie solltest du auch.«
»Spiritualität«, sagte er angewidert, während er das Can-D-Päckchen aus dem Hohlraum im Boden der Kabine fischte. »Du verleugnest die Realität, und was hast du davon? Nichts.«
»Zugegeben«, sagte sie und trat näher, um ihm beim Öffnen des Päckchens zuzuschauen, »ich kann nicht beweisen, daß man durch Enthaltsamkeit etwas gewinnt. Aber eins weiß ich genau. Was du und die anderen Sensualisten nicht verstehen, ist folgendes: Wenn wir Can-D kauen und unseren Körper verlassen, sterben wir. Und wenn wir sterben, werden wir erlöst von der Last unserer ...«
»Sprich weiter«, sagte Sam und öffnete das Päckchen; mit einem Messer schnitt er einen Streifen von dem Klumpen aus zähen, braunen pflanzenartigen Fasern ab.
»Sünden«, sagte Fran.
Sam Regan brüllte vor Lachen. »Wie schön, wenigstens bist du orthodox.« Die meisten Kolonisten teilten Frans Ansichten. »Aber«, sagte er und verstaute das Päckchen wieder in seinem Versteck, »ich kaue nicht, um von meinen Sünden erlöst zu werden; ich will nichts loswerden ... ich will etwas haben.« Er machte die Kabinentür zu, holte hastig sein Perky-Pat-Layout hervor, breitete es auf dem Boden aus und baute es ungeduldig auf. »Etwas, was mir normalerweise nicht zusteht«, setzte er hinzu, als hätte Fran das nicht gewußt.
Ihr Mann – oder seine Frau oder ihr Mann und seine Frau oder sämtliche Bewohner ihrer Grube – konnte jederzeit hereinschneien, während sie verwandelt waren. Aber sie beide würden sich in angemessenem Abstand gegenübersitzen; jegliches Vergehen entzog sich den Augen der lüsternen Zuschauer. Juristisch gesehen stand dem nichts entgegen; für einen Beischlaf gab es keinerlei Beweise, und die Rechtsexperten der maßgebenden UN-Behörden auf dem Mars und in den anderen Kolonien hatten alles versucht – ohne Erfolg. Während der Verwandlung konnte man Inzest, Morde, alles mögliche begehen, und vom juristischen Standpunkt aus betrachtet blieb es doch nur eine Fantasie, nichts weiter als ein ohnmächtiger Wunsch.
Diese hochinteressante Tatsache hatte ihm den Can-D-Konsum zur Gewohnheit werden lassen; das Leben auf dem Mars hatte ihm wenig Erfreuliches zu bieten.
»Ich glaube«, sagte Fran, »du willst mich in Versuchung führen.« Traurig setzte sie
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