Die drei Stigmata des Palmer Eldritch
Sand begraben lag – wenn man sie nicht nach unten schaffte, würden sie darin versinken, und zwar bald. Na, wenn schon, dachte er. Ballast der Vergangenheit ...
Die anderen Grubenbewohner bildeten eine Schlange, reichten seine Koffer von einem zum anderen und stellten sie auf das Transportband, das in die Grube hinabführte. Im Gegensatz zu ihm schienen sie geradezu begierig, sein Gepäck zu bergen; sie wußten es besser als er.
»Man hangelt sich von Tag zu Tag«, sagte Sam Regan voller Mitgefühl. »Man denkt nicht mehr in längeren Zeitabschnitten. Höchstens bis zum Abendessen oder Schlafengehen; für uns gibt es nur noch begrenzte Intervalle, Pflichten und Vergnügungen. Kleine Fluchten.«
Barney schnippte seine Zigarette weg und ergriff den schwersten Koffer. »Danke.« Ein kluger Rat.
»Entschuldigen Sie«, sagte Sam Regan mit höflicher Zurückhaltung, hob die Zigarettenkippe auf und steckte sie sich in die Tasche.
Als sie in der einzigen Grubenkammer saßen, die allen Platz bot, bereiteten sich die Kollektivmitglieder, einschließlich des Neulings Barney Mayerson, auf die feierliche Abstimmung vor. Die Zeit: Achtzehn Uhr FCZ. Das Abendessen hatten sie, wie üblich, gemeinsam eingenommen; das Geschirr war gespült und abgetrocknet. Niemand, so schien es Barney, hatte jetzt noch etwas zu tun; die Last der unausgefüllten Zeit wog schwer auf ihren Schultern.
Norm Schein zählte die abgegebenen Stimmen aus und verkündete: »Vier für Chew-Z. Drei für Can-D. Die Entscheidung ist gefallen. Gut, und wer bringt Impy White die schlechte Nachricht bei?« Er blickte fragend in die Runde. »Wenn sie das hört, wird sie fuchsteufelswild; darauf könnt ihr euch verlassen.«
»Ich«, sagte Barney.
Die drei Paare starrten ihn verwundert an. »Aber Sie kennen sie doch gar nicht«, widersprach Fran Schein.
»Ich sage ihr einfach, daß es meine Schuld war. Daß meine Stimme den Ausschlag für Chew-Z gegeben hat.« Er wußte, daß sie ihn nicht zurückhalten würden; es war eine undankbare Aufgabe.
Eine halbe Stunde später saß er rauchend in der Dunkelheit vor dem Grubeneingang und lauschte den ungewohnten Geräuschen der Marsnacht.
In der Ferne flitzte ein leuchtendes Objekt über den Himmel und verschwand zwischen den Sternen. Einen Augenblick später hörte er Bremsdüsen fauchen. Nun würde es nicht mehr lange dauern; er wartete, mit verschränkten Armen, mehr oder weniger entspannt, und legte sich seine Worte zurecht.
Kurz darauf kam eine gedrungene Frauengestalt im dicken Overall auf die Grube zugestapft. »Schein? Morris? Oder Regan?« Sie hob ihre Infrarotlaterne in die Höhe und blinzelte ihn an. »Ich kenne Sie nicht.« Argwöhnisch blieb sie stehen. »Ich habe eine Laserpistole.« Plötzlich lag sie in ihrer Hand und war auf ihn gerichtet. »Wer sind Sie?«
»Gehen wir außer Hörweite der Grube«, sagte Barney.
Argwöhnisch und bedrohlich mit der Laserpistole fuchtelnd, lief Impatience White neben ihm her. Er reichte ihr sein Perso-Pak, und sie las es im Schein ihrer Laterne. »Sie haben für Bulero gearbeitet«, sagte sie, hob den Kopf und sah ihn prüfend an. »Was hat das zu bedeuten?«
»Das bedeutet«, antwortete er, »daß die Chicken Pox Prospects auf Chew-Z umsteigen.«
»Warum?«
»Regen Sie sich nicht auf und stellen Sie keine dummen Fragen. Sprechen Sie mit Leo bei P. P. Oder mit Conner Freeman auf der Venus.«
»Und ob«, sagte Impatience. »Chew-Z ist der letzte Dreck; es ist giftig, macht süchtig, und was das schlimmste ist, es ruft tödliche Fluchtträume hervor, und zwar nicht von Terra, sondern von ...« Sie fuchtelte erneut mit der Pistole. »Es führt zu grotesken, barocken Fantasien, die einem krankhaften Kinderhirn entsprungen sein könnten. Erklären Sie mir, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist.«
Schweigend zuckte er die Schultern. Doch ihren ideologischen Eifer fand er interessant; er amüsierte ihn. Im Grunde, überlegte er, stand ihr Fanatismus im krassen Gegensatz zu der Einstellung der kleinen Missionarin an Bord des Terra-Mars-Schiffes. Der Anlaß spielte offensichtlich keine Rolle; das war ihm bisher nie aufgefallen.
»Wir treffen uns morgen abend um die gleiche Zeit«, sagte Impatience White. »Wenn Sie es ehrlich meinen, schön und gut. Aber wenn nicht ...«
»Was dann?« fragte er langsam, bedächtig. »Wollen Sie uns etwa zwingen, Ihr Produkt zu kaufen? Schließlich ist es illegal; wir könnten um UN-Schutz bitten.«
»Sie sind wohl neu hier.«
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