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Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Die drei Stigmata des Palmer Eldritch

Titel: Die drei Stigmata des Palmer Eldritch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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»Könnte es denn nicht doch sein, daß unsere Zeit hier begrenzt ist und wir irgendwann wieder nach Hause dürfen?«
    »Eine Kolonie ist prinzipiell auf Dauer angelegt«, sagte Barney. »Wie zum Beispiel Roanoke Island.«
    »Ja.« Anne nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht. Ich wünschte, der Mars wäre ein einziges großes Roanoke Island, und wir könnten alle wieder nach Hause.«
    »Um langsam in der Sonne zu verschmoren.«
    »Wir könnten massenhaft evolvieren; warum soll das ausschließlich den Reichen vorbehalten bleiben?« Sie legte den a-Kempis-Band beiseite. »Aber auf einen Chitinpanzer und dergleichen kann ich eigentlich gut und gern verzichten. Gibt es denn keine andere Lösung, Mr. Mayerson? Wissen Sie, wir Neo-Christen werden in dem Glauben erzogen, Wanderer in einem fremden Land zu sein. Heimatlose Pilger. Und dieser Glaube hat sich nun bestätigt; die Erde ist nicht mehr unsere Welt, und der Mars wird uns nie ein Zuhause bieten können. Wir haben keine Welt mehr!« Sie starrte ihn an, ihre Nasenflügel bebten. »Keine Heimat!«
    »Nun ja«, sagte Barney verlegen, »dafür haben wir Can-D und Chew-Z.«
    »Ist denn noch welches da?«
    »Nein.«
    Sie nickte. »Womit wir wieder bei Thomas a Kempis wären.« Doch statt das Buch zur Hand zu nehmen, senkte sie den Kopf und gab sich ihren trübseligen Gedanken hin. »Ich weiß, wie das alles enden wird, Mr. Mayerson. Barney. Ich werde niemanden zum Neo-Amerikanischen Christentum bekehren; statt dessen werde ich zu Can-D und Chew-Z bekehrt und jedem sich bietenden Laster frönen, um dieser Welt entfliehen zu können. Zum Beispiel Sex. Wußten Sie, daß die Menschen auf dem Mars die freie Liebe praktizieren? Hier geht jeder mit jedem ins Bett. Wenn’s sein muß, versuche ich es sogar damit; lieber heute als morgen, wenn ich ehrlich bin – ich halte es hier einfach nicht mehr aus ... Haben Sie sich schon einmal bei Tageslicht an der Oberfläche umgesehen?«
    »Ja.« Der Anblick verwahrloster Gärten, noch verwahrlosterer Maschinen und riesiger Haufen verfaulender Vorräte hatte ihn nicht sonderlich beeindruckt. Aus Lehrfilmen wußte er, daß es im Grenzgebiet immer so aussah, auch auf der Erde; in Alaska war es bis vor kurzem so gewesen, und in der Antarktis sah es, mit Ausnahme der Ferienorte, immer noch so aus.
    »Die Grubenbewohner nebenan mit ihrem Layout«, sagte Anne Hawthorne. »Angenommen, wir nehmen ihnen Perky Pat weg und schlagen sie in Stücke. Wie würden sie darauf reagieren?«
    »Das hätte keinerlei Einfluß auf ihre Fantasie.« Denn die ruhte inzwischen auf einem festen Fundament; die Requisiten waren bloßes Beiwerk. »Warum wollen Sie so etwas tun?« Der Gedanke hatte etwas entschieden Sadistisches, er war erstaunt; bei ihrer ersten Begegnung hatte das Mädchen einen ganz anderen Eindruck auf ihn gemacht.
    »Ikonoklasmus«, sagte Anne. »Ich möchte ihre Götzen zertrümmern, Walt und Perky Pat vernichten, weil ...« Sie hielt inne. »Weil ich sie beneide. Das hat mit religiösem Eifer nichts zu tun; ich habe wahrscheinlich schlicht und einfach eine grausame Ader. Und eins ist sicher. Wenn ich nicht mitmachen darf ...«
    »Sie können mitmachen. Sie werden mitmachen. Ich auch. Nur jetzt noch nicht.« Er reichte ihr eine Tasse Kaffee, sie nahm sie nachdenklich entgegen; ohne ihren dicken Übermantel wirkte sie schlank und zierlich. Ihm fiel auf, daß sie fast genauso groß war wie er; mit Absätzen würde sie ihn vermutlich sogar überragen. Sie hatte eine merkwürdige Nase. Die Spitze erinnerte an eine Knolle, doch hatte sie nichts Komisches, sondern vielmehr etwas – Irdisches, überlegte er. Als ob Anne mit dem Erdboden verwachsen wäre; er mußte an angelsächsische und normannische Bauern denken, die ihre kargen, kleinen Felder beackerten.
    Kein Wunder, daß ihr der Mars zuwider war; ihre Vorfahren hatten den urwüchsigen terranischen Boden zweifellos geliebt, seinen Geruch und seine lebendige Beschaffenheit, vor allem aber die darin verborgenen Erinnerungen, die verwandelten Überreste der Geschöpfe, die ihn einst bevölkert hatten, bis sie tot dahingesunken, langsam zerfallen und wieder – nicht zu Staub, sondern – zu fettem, fruchtbarem Humus geworden waren. Sie konnte ja einen Garten anlegen; vielleicht hatte sie, im Gegensatz zu früheren Marsbewohnern, Glück, und er würde blühen und gedeihen. Seltsam, doch sie schien furchtbar deprimiert. Ob das bei allen Neuankömmlingen der Fall war? Aber er spürte nichts

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