Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Trinkgefäße, goldene Kannen und Kelche, ferner aus der Levante eine Unmenge kostbarer Stoffe, persische Teppiche, leinene und seidene Gewänder, endlich so prächtige Geräte für Haus und Küche verhandelt zu haben, daß keine Königin der Christenheit sich rühmen könne, mit Zierschmuck, Kleinodien und Hausrat so wohl versehen zu sein; auch daß er allein für allerlei seltene Spielereien, wie indische Blumen, Papageien und andere fremdartige Vögel, Straußenfedern, Diamanten, Spezereien, Gewürze und griechische Weine an Geldwert dreihunderttausend Tourainer Pfund von ihr erhalten habe.
Von Uns, dem Richter, aufgefordert zu bekennen, ob er ihr keine Ingredienzen zu zauberischen Tränklein wie Blut von Neugebornen, keinerlei Zauberbücher oder ähnliche Dinge, wie sie Hexen brauchen, verschafft habe, hat der Jude Rastschild, nachdem Wir ihm versichert, daß er weder bestraft noch verfolgt, noch sonst beunruhigt werden solle, auf seinen hebräischen Glauben geschworen, keinerlei Handel dieser Art zu treiben. Dann hat er erklärt, daß er viel zu sehr von großen Negoziationen und Geschäften von hoher Importanz in Anspruch genommen sei, um sich mit solchen Lappalien abzugeben; er sei der Bankmann und Geldversorger verschiedener, sehr mächtiger Herren wie des Markgrafen von Montferrat, des Königs von England, des Königs von Zypern und Jerusalem, des Grafen von der Provence, des Hohen Rats von Venedig und vieler deutscher Fürsten. Er sei außerdem der Besitzer einer Flotte von Handelsschiffen, die unter dem Schutze des Sultans nach Ägypten und andern Ländern des Morgenlands ginge. Besonders handle er mit Gold und sonstigen edlen Metallen, durch welchen Handel er öfter mit der Münze von Tours geschäftlich verkehre. Zum Überfluß hat er noch versichert, daß er die genannte Dame, um die es sich handelt, für sehr redlich und durchaus für ein natürliches Weib halte; allerdings mit soviel Liebreiz der Form und solcher Grazie des Wesens, wie er noch keine gekannt habe; er hat auch gestanden, daß er, angezogen von ihrem Ruf, eine Zauberin, Hexe oder teuflischer Dämon zu sein, und auch aus Verliebtheit, sie eines Tags, da sie gerade ledig war, um ihre Gunst angegangen, die ihm denn auch nicht verweigert worden sei.
Aber obwohl er die Wirkungen jener Nacht noch lange Zeit in seinen Knochen und Lenden gespürt, habe er doch keineswegs die Erfahrung gemacht, wovon so viele fabelten, daß der Mann, der sich einmal mit ihr abgegeben, nicht mehr von ihr loskommen könne, sondern von ihr verzehrt werde und hinschmelze wie Blei in dem Tiegel eines Alchimisten.
Obwohl die Aussagen des genannten Salomon Rastschild mehr als zur Genüge sein Einverständnis und seine Mitschuld an dem satanischen Komplott bewiesen und bis zur Evidenz dartaten, da er heil davongekommen, wo alle guten Christen ihr Verderben gefunden, konnten Wir infolge des ihm zugesagten freien Geleits ihn in seiner Person nicht behelligen oder beeinträchtigen, und hat Uns derselbe darauf einen Vertrag in Sachen des obengenannten Dämons unterbreitet, dahin lautend, daß er das Anerbieten mache, dem Kapitel der Kathedrale für den genannten Dämon in Weibsgestalt, wenn solcher zum Scheiterhaufen verurteilt werden sollte, als Lösegeld eine hinlängliche Summe zu bezahlen, damit der eben in Angriff genommene höchste Turm der Kathedrale von Saint-Maurice bis zu seiner Vollendung ausgebaut werden könnte.
Diesen seinen Vorschlag haben Wir zu den Akten genommen, um ihn dem versammelten Kapitel, wenn es an der Zeit wäre, zur Beratung vorzulegen. Hat sich alsdann der genannte Salomon Rastschild zurückgezogen, sich aber hartnäckig geweigert, Uns seine Wohnung zu bezeichnen, sondern nur bemerkt, daß er von den Entschlüssen des Kapitels durch einen Juden der Tourainer Judenschaft mit Namen Tobias Nathan unterrichtet werden könne. Dem genannten Juden Salomon ist vor seinem Abtritt der Afrikaner gegenübergestellt worden, den er als den Diener jenes Dämons erkannt hat. Er hat Uns erklärt, daß die Sarazenen ihre Sklaven, die zur Überwachung der Frauen bestimmt sind, auf diese Weise ihrer Männlichkeit beraubten, als welches ein uralter Brauch sei, wie aus verschiedenen Profanhistorikern, zum Beispiel der Geschichte des Narses, eines konstantinopolitanischen Feldherrn, unter anderm hervorgehe.
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Am andern Tag nach der Messe ist in fünfter Linie vor Uns erschienen die sehr edle und hochgeborne Dame von Croixmare. Dieselbige hat auf ihren Glauben
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