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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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und die heiligen Evangelien geschworen und weinenden Auges ausgesagt, daß sie erst jüngst ihren ältesten Sohn begraben, als welcher an der seltsamen und extravaganten Liebe zu einem weiblichen Dämon gestorben war. Der junge Edelmann stand im Alter von dreiundzwanzig Jahren, so sagte die Mutter aus, war von männlich kräftiger Komplexion und starkem Bartwuchs wie sein verstorbener Vater. Ungeachtet seiner gesunden Natur sei er in einem Zeitraum von neunzig Tagen langsam dahingesiecht, ganz verstört durch seine Verbindung mit dem Sukkubus in der Brenzelgasse, wie das gemeine Volk allenthalben erzähle.

     
    Ihre mütterliche Autorität habe keinerlei Einfluß mehr auf diesen Sohn ausüben können, und in seinen letzten Tagen habe er nur noch einem halbtoten Nachtfalter geglichen, den die Stubenmagd beim Reinmachen manchmal in einer Zimmerecke findet und hinauskehrt. Aber solange noch ein Fünkchen Leben in dem Armen gefunden worden, habe er sich nicht enthalten können, mit der verfluchten Hexe zusammenzukriechen.

     
    Sein ganzes väterliches Erbe sei ebenfalls in diesem Abgrund versunken. Nachher, so fuhr die Dame von Croixmare fort, als er sich nicht mehr vom Lager erheben konnte und sein letztes Stündlein herannahen fühlte, fluchte er, tobte, raste, sagte mir, seiner Mutter, seinen Geschwistern, ja dem Priester tausend Beleidigungen und harte Worte ins Gesicht, verleugnete Gott und wollte als Verdammter sterben, so daß alle Diener des Hauses entsetzt waren und zur Rettung seiner Seele aus den Qualen der Hölle zwei jährliche heilige Messen in der Kathedrale von Saint-Maurice gestiftet haben. Um dem Armen ein Begräbnis in geweihter Erde zu sichern, habe das Haus Croixmare sich verpflichtet, dem Kapitel für seine Kirche nebst sämtlichen Kapellen auf hundert Jahre hinaus das Wachs zu den Osterkerzen zu liefern. Zum Schluß hat die edle Dame beteuert: Abgesehen von den gottlosen und erschrecklichen Reden, die ihr der Beichtvater ihres Sohns von ihm berichtet, der hochwürdige Luis Pot, ein Benediktiner von Marmoustiers, der dem Unglücklichen in seiner letzten Stunde beigestanden, habe sie selber aus seinem Munde kein einziges Wort vernommen, so sich auf die Teufelin, die sein Leben ausgetrunken, bezogen hätte.

     
    Und hat sich darauf die sehr edle und hochgeborne Dame in großer Trauer zurückgezogen.

     
    †

     
    Ist zum sechsten sodann vor Uns erschienen Jacquette, genannt Dreck-Schminke, die als Putz- und Spülmagd von Haus zu Haus ihr Brot sucht und gegenwärtig am Fischmarkt wohnt. Und hat dieselbe auf ihren heiligen Glauben geschworen, nichts anderes zu sagen, als was sie für wahr hält. Folgendes aber hat die Genannte ausgesagt: Eines Tags, als sie sich in der Küche des besagten weiblichen Dämons befand, will sie die Angeklagte gesehen haben, die ihr, als nur den Männern gefährlich, keinerlei Furcht eingeflößt. Jene Hexe sei ganz wie eine vornehme Dame reich gekleidet und in Gesellschaft eines jungen Edelmanns, mit dem sie scherzte und lachte wie eine natürliche Frau, in ihrem Garten spazierengegangen. Die genannte Dreck-Schminke habe bei dieser Gelegenheit in dem angeklagten weiblichen Dämon das wahre Ebenbild einer Mohrin erkannt, die man zu ihrer Zeit in dem Kloster Notre-Dame zu Esgrinolles als Nonne eingekleidet hatte. Diese Mohrin sei vor ungefähr achtzehn Jahren von einer Truppe Ägyptianer im Dome an Stelle des Bildes der Heiligen Jungfrau und Mutter Unsres gebenedeiten Heilands in der Mauernische zurückgelassen und durch den Herrn Bruyn, Seneschallen von Touraine und Poitou, Grafen von La Roche-Corbon, vor dem Scheiterhaufen bewahrt worden, indem sie, anstatt lebendig gebraten zu werden, die heilige Taufe empfangen, wobei der selige Herr Seneschall und die selige Frau Seneschallin selber in Person zu Gevatter gestanden. Durch anderweitige große Unruhen in der Stadt sei es gekommen, daß dieses Höllenkind, ungefähr zwölf Jahre alt bei seiner Taufe, nachher gänzlich vergessen worden. Sie aber (die Zeugin), damals als Spülmädchen im Kloster angestellt, erinnere sich noch an die Flucht, die, zwanzig Monate nach ihrer Einkleidung, von besagter Ägyptianerin so fein ins Werk gesetzt worden ist, daß man nie herausgebracht hat, auf welche Weise und durch welchen Ausgang sie so spurlos entkommen sein mochte. Von allen Einwohnern des Klosters wurde angenommen, daß sie mit Hilfe des Teufels durch die Luft geflogen sei, da trotz Nachforschung und Untersuchung keinerlei Spur

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