Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
Gästeklo führte. Sie erreichte
eines der vielen Treppenhäuser und spitzte die Ohren. Hatte sie
nicht gerade etwas die Treppe heraufrennen gehört?
Sie
verengte die Augen, um mehr erkennen zu können, sah aber nur
Finsternis, die sich über die alten Holzstufen erstreckte. Sie
überlegte erst gar nicht, ob sie nachsehen sollte, was dort
herumrannte. So doof war sie kein drittes Mal. Sie eilte weiter
Richtung heiß ersehntes Gästebad. Wenn sie etwas angreifen
sollte, würde sie sich einfach wehren. Bei dem Zombie hatte es
auch geklappt. Womöglich war das ja überhaupt nicht die
Gabe des Heilens, vielleicht hatte sie ja noch eine zweite Gabe? Eine
gefährliche Gabe, die ihre Gegner in Brand setzte, sollten sie
sie bedrohen?
Den
Rückweg bestritt sie ohne böse Geschöpfe und ohne,
geheime Schritte zu hören.
Sie
schlief wohlig ein und träumte von einem heißen Urlaub in
Ägypten, den sie mit einem noch heißeren Animateur
verbrachte.
Klonk!
Lavinia
erwachte und stellte enttäuscht fest, dass sie noch in ihrem
kühlen Schlafzimmer lag, dem Anschein aber nach nicht allein!
Etwas oder jemand bewegte sich.
»Hey,
sei doch leiser! Du weckst sie noch auf«, flüsterte eine
Mädchenstimme nervös.
»Wenn
du endlich die Taschenlampe gerade halten würdest, könnte
ich sehen, wo mein Werkzeug liegt«, sagte die Stimme eines
Jungen leise und vorwurfsvoll.
Lavinia
öffnete ihre Augen einen Spaltbreit und stellte fest, dass in
ihrem Zimmer tatsächlich jemand eine Taschenlampe in den Händen
hielt. Oder sollte man besser sagen, etwas? Sie konnte die Umrisse
kleiner Gestalten ausmachen, die beide an ihrer Badezimmertür
kauerten.
Ihre
Neugierde war stärker als ihre Angst. »Wer zum Henker seid
ihr?«
»O
nein du hast sie aufgeweckt!«, sagte die Mädchenstimme und
knipste die winzige Taschenlampe aus, als wären sie jetzt
unsichtbar.
»Ich
kann euch trotzdem sehen«, sagte Lavinia. Sie war jetzt
hellwach, stand schnell auf und wollte zum Lichtschalter.
»Nein,
bitte schalten Sie das Licht nicht an, ehrenwerte Frau Herz!«,
flehte die Mädchenstimme panisch.
Lavinia
empfand Mitleid und stoppte ihre Hand kurz vor dem Schalter. Sie
konnte nicht erkennen, was es für Wesen waren, doch wusste sie,
dass es keine Menschen waren. Ihre Ohren waren viel zu lang für
einen Menschen, und ihre Stimmen hörten sich an wie die kleiner
Wesen. Sie konnte natürlich nur Umrisse sehen, doch sie
vermutete fast, es waren sprechende Tiere.
»Wer
seid ihr?«, fragte sie ein zweites Mal.
»Na
toll, jetzt sind wir erledigt!«, sagte der Junge vorwurfsvoll.
»Du
hast doch den Schraubenzieher fallen lassen, nicht ich!«
»Ja
weil du lieber das Zimmer erleuchtet hast, statt die Tür.«
»Wie
heißt ihr?«, fragte Lavinia, um den Streit zu
unterbinden.
»Es
ist mir eine Ehre, mich Ihnen vorstellen zu dürfen. Wirklich,
ich fühle mich sehr geschmeichelt! Mein Name ist Qendressa und
das ist mein Bruder Oscar.«
Lavinia
erkannte, wie sich die Gestalt mit der Taschenlampe verbeugte.
»Pst,
wir dürfen nicht!«, zischte Oscar seiner Schwester zu,
doch sie hörte ihm nicht zu.
»Frau
Herz, wir sind Pixies. Meine Familie lebt schon seit Jahrzehnten in
diesem Anwesen. Bitte haben Sie keine Angst vor uns.«
»Wir
dürfen doch nichts verraten«, stammelte Oscar panisch.
Lavinia
sah, wie er auf seine Schwester zuging und sie packte.
»Ich
mach jetzt das Licht an«, warnte Lavinia.
»Aber
nicht erschrecken!«
»Schon
gut!« Lavinia war gespannt, was sich ihr offenbaren würde.
Sie schaltete das Licht an und blickte ungläubig auf die
Gestalten, die vor ihr standen.
Sie
gingen ihr bis zur Hüfte, hatten ungefähr handgroße
Ohren und besaßen weder Hände noch Füße,
stattdessen hatten sie Pfoten.
Erstaunt
erkannte Lavinia vor sich zwei aufrecht stehende Hasen! »Seid
ihr Kaninchen?«
»O
nein! Wir bekommen viel Ärger!« Oscar blickte panisch nach
einem Ausweg. Er hatte eine blaue Latzhose an und einen kleinen
Schraubenschlüssel in seiner Tasche stecken.
Seine
Schwester Qendressa trug ein ausgeblichenes rosa Kleidchen und eine
passende Schleife zwischen ihren Ohren. Im Gegensatz zu ihrem Bruder
hatte sie ihre Ohren aufrecht auf dem Kopf stehen.
»Frau
Lavinia Herz, wir sind Pixies. Haben Sie noch nie von uns gehört?«,
fragte Qendressa ehrfürchtig.
»Nein
nur von Osterhasen!«, erwiderte Lavinia baff. So sahen die
beiden nämlich aus.
»Frau
Lavinia Herz, Sie haben Humor! Ich habe Sie beobachtet, wie Sie durch
das Haus
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