Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
beiden.
»Wo
ist Roxy? Wo ist …«, rief Nadia diesmal.
»Ich
bin hier! Immer noch«, unterbrach Roxy sie sichtlich
gelangweilt. Sie stand an einem Beistellstich und zerzupfte die
Blüten des Blumenstraußes, der darauf stand.
»Sehr
gut! Fehlt nur noch Motzig«, stellte Nadia fest.
»Da
bin ich!«, sagte dieser und tauchte direkt hinter Nadia auf.
»Oh, hey, hallo!«, sagte Nadia überrascht und lief
rot an.
»Ich
meinte natürlich gut! Chrm, ähm, ja … gut, dann
können wir ja los.« Sie wandte sich rasch von Motzig ab.
»Da geht’s lang«, teilte sie den anderen
unnötigerweise mit und zeigte auf den Ausgang.
»Wieso
darf Motzig in Lederjacke und Jeans aufkreuzen und ich nicht?«,
fragte Roxy vorwurfsvoll.
Nadia
gebot ihr mit einem bösen Blick, zu schweigen und lief noch
röter an.
»Haha!«,
machte Maxim und Roxy sah mit einem vernichtenden Blick zu ihm,
woraufhin er sofort verstummte.
Tatsächlich
bot Roxy in dem weißen Hemd und der feinen Stoffhose einen
witzigen Anblick. Lavinia hatte mitbekommen, dass sie nichts
Passendes in ihrem Kleiderschrank gefunden hatte, was Nadias
Guten-Eindruck-Test überstehen konnte, woraufhin Nadia ihr
schließlich alte Kleidungsstücke von sich ausgeliehen
hatte. Hose und Hemd waren Roxy mindestens zwei Nummern zu eng.
Lavinia würde es nicht wundern, wenn noch bevor sie das Portal
erreichten, mehrere Knöpfe von dem Hemd davonflögen. Das
Beste an ihrem Outfit aber waren die dreckig weißen Turnschuhe.
Sie
eilten über die Einfahrt, es war ein kühler
Septembermorgen. Die Sonne wollte sich nicht blicken lassen.
»Ich
versteh immer noch nicht, wieso wir so früh aufstehen mussten!«
Maxim gähnte und stolperte fast über einen Felsen, der aus
dem Boden ragte.
»Weil
Nadia wusste, dass du ebenso wenig Geschmack hast wie die
Schlägerbraut, und noch weniger das Talent, dich positiv zu
präsentieren«, war die gereizte Antwort Lavinias.
»Ich
habe heute nur für die Sieben-Uhr-
Nachrichten
freibekommen und muss spätestens um dreizehn Uhr im Studio
sein.«
So
still es im Wald auf der Erde war, so munter ging es im Wald auf der
anderen Seite des Portals zu. In Ayorweden stand die Sonne bereits
hoch am Himmel und belohnte die fleißigen Händler,
Wanderer und Pendler mit wohltuender Wärme. Die Freunde hatten
Schwierigkeiten, auf den Pfad zu kommen. Kutsche reihte sich an
Kutsche und fuhr Richtung Stadt. Auf dem Gefährt vor ihnen
stapelten sich wacklig Hunderte von Bonsaibäumchen. Hinter ihnen
hielt ein alter Wanderer mühsam Schritt. Er sah übermüdet
aus, fast so, als wäre er die ganze Nacht durchgewandert. Er
schien vor dem schwarzen Pegasus, der die Kutsche hinter ihm zog,
Angst zu haben. Zumindest bemühte er sich, schnell genug zu
laufen, um nicht vor die zuckende Nase
des neugierigen Zugtieres zu geraten.
Die
vielen Händler unterhielten sich angeregt, während die Freunde
kein Wort sagten.
Sie waren zu nervös. Was sie wohl erwarten würde? Selbst
Motzig konnte seine Anspannung nicht verbergen. An der Pforte in die
Stadt mussten sie anhalten.
»Ween
Tien«, sprach der Krieger bedrohlich und zeigte auf Roxy. Ein
blauer Dunst entkam seinen ausgestreckten Händen und umkreiste
Roxy einmal. Erst dann ließ er sie mit einem kurzen Kopfnicken
durch das Portal gehen.
»Wieso
tun die das immer nur bei dir?«, fragte Maxim leise.
»Psst«,
machte Roxy sichtlich genervt und angespannt.
Ein
freundlicher Krieger auf dem Lady Lilly Platz erklärte ihnen,
sie müssten immer geradeaus gehen, um zum Spatzenplatz zu
kommen. Das Register Amt befände sich direkt neben dem Ratshaus.
Immer
noch angespannt, drängten sie sich durch die Masse an Magiern,
Zwergen, Fabelwesen und folgten einem tatsächlich drei Meter
hohen Baumwesen, das mühelos einen Keil in die Menschenmasse
schlug. Sie hielten sich so lange wie möglich hinter ihm. Erst
als der Baum gebückt den Schnupfenden
Regenbogen betrat,
ging der Kampf gegen die dicht gedrängte Menge wieder los.
»Gleich
sind wir da«, sagte Nadia, als sie durch einen Torbogen gingen.
Die Uhr darauf zeigte Viertel vor
zehn an.
Auf
dem Spatzenplatz erkannte Lavinia sofort, wieso er so hieß. Sie
müsste raten, wenn man sie fragen würde, wie viele Spatzen
hier lebten. Es waren mindestens tausend Stück. Einige suchten
auf dem Boden Leckerbissen zusammen und entschwanden flink jedem Fuß,
der ihnen bedrohlich nahekam. Andere saßen zu Hunderten auf den
Dachrinnen der umliegenden Häuser, und wiederum andere flogen in
Scharen
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