Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
irgendeinem
dämlichen Buch«, sagte Lavinia aufgebracht und machte
Anstalten, zu gehen. »Lavinia warte, was wolltest du uns
erzählen?«, sagte Motzig schlichtend.
»Tja,
ich wollte euch sagen, dass ich von meinem Bekannten aus St. Benedikt
erfahren habe, dass das Einhorn geflüchtet ist.« Mit einem
vernichtenden Blick auf Nadia verließ sie den Esssaal.
»Was
soll das? Welches Einhorn?«, fragte Maxim.
»Der
Schutzpatron des Waldes ist geflohen!«, erklärte Motzig.
Akte elf
achtundzwanzig
Die
Flucht des Einhorns aus dem Dunklen Wald war ein alarmierendes
Warnsignal für die Freunde. Nadia wusste, dass für jedes
Stückchen Natur ein einzelnes Einhorn zuständig war. Es
pflegte und schützte bis zu seinem Tode jeden Quadratmeter
seines Reviers. Wenn ein Einhorn aus seinem Territorium verjagt
wurde, war dies nicht nur das Todesurteil für das Einhorn. Nadia
bekam bei diesem Gedanken eine Gänsehaut. Wer oder was konnte so
mächtig sein und ein derart starkes und uraltes Fabelwesen
verjagen und es auf diese Weise letztendlich töten? Vor allem,
was würde nun aus dem Gebiet werden, so ganz ohne Schutzpatron?
M axim
hatte an diesem Morgen ganz andere Sorgen. Er faltete die Vorladung
zu seiner Gerichtsverhandlung auf und wieder zu, und das schon zum
zigsten Mal. Er war aufgeregt und bedrückt. Er und Roxy hatten
vor drei Wochen denselben Brief erhalten, kurz, nachdem sie aus der
Haft entlassen worden waren. Roxy schien diese Vorladung nichts
auszumachen, sie hatte ja vermutlich schon mehr als eine in ihrem
Leben erhalten.
»Bitte
nehmt das wirklich ernst! Ich habe recherchiert. Normalerweise gibt
es für den Tatbestand höchstens fünf Jahre
Freiheitsentzug, aber euer Fall wird vor dem Magischen Landgericht
verhandelt. Das ist wirklich übel! Die können euch dafür
bis zu dreißig Jahre aufbrummen, und wenn sie nachweisen
können, dass andere Menschen dabei zu Schaden gekommen sind –
und glaubt mir, sie wollen uns loswerden, sie werden es auf jeden
Fall versuchen, dann … dann kann es sogar die Todesstrafe
geben«, hatte Nadia zwei Tage nach Erhalt der Briefe zu ihnen
gesagt.
»Todesstrafe?«,
hatte Maxim ungläubig gefragt.
»Ach
so ein Quatsch, wenn wir verurteilt werden, dann gehen wir einfach
nicht mehr nach Ayorweden! Wie sollen die uns dann noch erwischen?«,
hatte Roxy geantwortet.
»Du
glaubst doch wirklich nicht, dass die Magier auf der Erde keinen
Einfluss haben? Ich bin mir sogar ziemlich sicher, sie haben einen
sehr starken Einfluss auf der Erde. Weil überlegt mal …«
»Ruhe!«,
hatte sie Maxim unterbrochen. Er wollte davon nichts mehr wissen.
Am
liebsten hätte er die Vorladung einfach verbrannt. Dann wäre
sie zwar immer noch gültig doch zumindest wäre dieses
Problem bis zum fünfzehnten Dezember verschwunden.
Sein
Vater war ins Krankenhaus eingeliefert worden und er musste sich
allein um die Werkstatt kümmern. Es war bereits sechs Uhr
dreißig. Er faltete den Brief ein letztes Mal zusammen und warf
ihn unter sein Bett. Als er seine Schlafzimmertür öffnete,
begrüßte ihn Nadia mit einem aufmunternden »Morgen!«
Maxim
brummte und ging zum Treppenhaus. »Sag mal, in einer Woche ist
doch eure Gerichtsverhandlung«, sagte Nadia, die hinter ihm
herlief.
»Danke
für die Erinnerung, ich weiß es!« Maxim
beschleunigte seine Schritte, während er die Treppen
hinunterlief. Ein bedrückendes Kribbeln breitete sich in seiner
Magengegend aus. Am liebsten wäre er ausgeflippt und hätte
wild um sich geschlagen. Doch er beherrschte sich und lief betont
ruhig die Treppen hinunter.
»Ich
hab dir Frühstück gemacht. Es steht in der Küche.«
»Wozu
machst du mir auf einmal Frühstück?« Maxim blieb so
plötzlich stehen, dass Nadia gegen ihn plumpste.
Sie
rückte ihre Brille wieder zurecht. »Naja, du hast zurzeit
so viel Stress mit der Verhandlung, der Werkstatt, deinem kranken
Vater. Ich will dir etwas Gutes tun. Es gibt Pfannkuchen.«
Da
waren sie, die Probleme, alle drei auf einmal. Tränen schossen
in Maxims Augen. Schnell drehte er sich um und durchquerte das kleine
Portal zur Eingangshalle.
Roxy
kam ihm im Schmuddellook entgegen. In ihren Händen hielt sie ein
paar zusammengerollte Pfannkuchen.
»Warte
Maxim! Ich wollte dich noch etwas … Roxy, wieso bist du denn
schon wach? Hey, was isst du da? Die waren für Maxim!«,
hörte er Nadia empört rufen, ehe er die schwere Holztür
hinter sich schloss und zum Garagentor ging.
N adia
folgte der schmatzenden Roxy fassungslos
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