Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
aufstacheln – weil jeder Kämpfer weiß, daß die größte Schwäche eines Gegners dessen Wut ist.«
»Ich kann sie kontrollieren«, fauchte Druss.
»Vor wenigen Augenblicken hast du gut gekämpft – deine Haltung war richtig, die Schläge kamen präzise. Dann habe ich dich mit einer geraden Linken getroffen – und mit noch einer. Die Schläge waren zu schnell für deine Deckung und haben dich verärgert. Und schon kamen deine Schläge wieder im Bogen und du hast dein Kinn, dein Gesicht hingehalten.«
Druss setzte sich neben den Kämpfer und nickte. »Du hast recht. Aber mir gefällt dieses Sparren nicht, dieses Zurückhalten. Es ist nicht … echt.«
»Es ist nicht echt, mein Freund, aber es bereitet den Körper für den wirklichen Kampf vor.« Er schlug dem Jüngeren auf die Schulter. »Verzweifle nicht, du bist fast soweit. Ich glaube, das Wühlen im Dreck hat dir deine Kraft zurückgegeben. Wie geht es beim Roden voran?«
»Wir sind heute fertig geworden« erwiderte Druss. »Morgen kommen die Steinmetze und Zimmerleute.«
»Rechtzeitig. Der Aufseher war bestimmt froh – ich bin es jedenfalls.«
»Warum bist du froh?«
»Mir gehört ein Drittel des Landes. Der Wert wird gewaltig steigen, wenn die Häuser erst fertig sind.« Der kahle Kämpfer lachte leise. »Warst du mit deinem Bonus zufrieden?«
»War das dein Werk?« fragte Druss mißtrauisch.
»Das ist so üblich, Druss. Der Aufseher erhält fünfzig Raq, wenn er in der vereinbarten Zeit fertig wird. Der Vorarbeiter bekommt normalerweise ein Zehntel dieser Summe.«
»Er hat mir zehn Raq gegeben – in Gold.«
»Dann mußt du ihn ja mächtig beeindruckt haben.«
»Er bat mich zu bleiben und das Ausgraben der Fundamente zu überwachen.«
»Aber du hast abgelehnt?«
»Ja. Es gibt ein Schiff, das nach Ventria fährt. Ich sagte ihm, mein Helfer Togrin könnte meinen Platz einnehmen. Er war einverstanden.«
Borcha schwieg einen Moment. Er wußte von Druss’ Prügelei mit Togrin am ersten Tag und wie er den besiegten Vorarbeiter auf dem Gelände wieder willkommen geheißen, ihn ausgebildet und ihm Verantwortung übertragen hatte.
Und der Aufseher hatte ihm bei ihren Treffen erzählt, wie gut die Männer Druss aufgenommen hatten.
»Er ist ein geborener Führer, der durch sein Beispiel ermuntert. Keine Arbeit ist ihm zu niedrig oder zu schwer. Er ist ein wahrer Fund, Borcha. Ich habe vor, ihn zu befördern. Im Norden ist ein neues Baugelände geplant, mit schwierigem Boden. Ich werde ihn zum Aufseher machen.«
»Er wird nicht annehmen.«
»Natürlich wird er. Er kann reich werden.«
Borcha richtete seine Gedanken wieder auf die Gegenwart. »Du weißt, daß du sie vielleicht nie findest«, sagte er leise.
Druss schüttelte den Kopf. »Ich finde sie, Borcha – und wenn ich durch ganz Ventria marschieren und jedes Haus einzeln durchsuchen muß.«
»Du bist Waldarbeiter, Druss, also beantworte mir folgende Frage: Wenn ich ein einzelnes abgefallenes Blatt in einem Wald kennzeichnen würde, wie würdest du mit der Suche danach beginnen?«
»So schwierig ist es nicht. Ich weiß, wer sie gekauft hat. Kabuchek. Er ist reich, ein wichtiger Mann. Ich werde ihn finden.« Druss griff hinter die Bank und zog Snaga hervor. »Dies ist die Axt meines Großvaters«, sagte er. »Angeblich war er ein böser Mann. Doch als er jung war, kam eine große Armee von Norden, angeführt von einem Gothirkönig namens Paisa. Überall gerieten die Menschen in Panik.
Wie sollten die Drenai gegen eine solche Armee bestehen? Städte leerten sich. Die Menschen luden ihren Besitz auf Karren, Wagen, Kutschen, Pferde, Ponies. Bardan – mein Großvater – führte ein kleines Überfallkommando tief in die Berge, wo der Feind lagerte. Er schlich sich mit zwanzig Männern in das Lager, fand das Zelt des Königs und erschlug ihn in der Nacht. Am nächsten Morgen steckte Pasias Kopf auf einer Lanze. Die Armee zog nach Hause.«
»Eine interessante Geschichte, die ich schon gehört habe«, sagte Borcha. »Was glaubst du, kann man daraus lernen?«
»Daß ein Mann alles erreichen kann, wenn er den Willen, die Kraft und den Mut hat, es zu versuchen«, antwortete Druss.
Borcha stand auf und streckte die massigen Muskeln seines Rückens und seiner Schultern. »Dann wollen wir mal sehen, ob das stimmt«, sagte er mit einem Lächeln. »Laß uns feststellen, ob du den Willen, die Kraft und den Mut hast, dein Kinn unten zu lassen.«
Druss kicherte und legte die Axt neben die Bank. »Ich
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