Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
machst viel Ärger für jemanden, der seit zehn Jahrhunderten tot ist«, sagte er.
Dann traf es ihn wie ein Schlag …
Er erhob sich, lief die Stufen hinunter und ging zum Schrein zurück. Dort kauerte er sich wieder vor der Eisenplatte nieder. Er verglich Oshikais Namen mit der Gravur auf dem
lon-tsia
und sah, daß der Name auf der Platte noch zwei weitere, identische Symbole hatte. Als er näher hinsah, erkannte er, daß diese beiden Gravuren tiefer waren als die der anderen Symbole.
»Was hast du gefunden?« fragte Talisman von der Tür her. Der schlanke Nadirführer kniete neben dem Dichter nieder.
»Ist das die ursprüngliche Platte?« fragte Sieben. »Wurde sie von Oshikais Anhängern gefertigt?«
»Ich denke schon«, meinte Talisman. »Warum?«
»Was bedeuten diese Symbole?«
»Den Buchstaben ›i‹ auf nadir.«
»Aber Chiatze hat keinen solchen Buchstaben«, sagte Sieben. »Also ist die Namensplatte entweder nicht das Original, oder sie wurde verändert.«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte Talisman.
Sieben setzte sich. »Ich mag keine Rätsel«, sagte er. »Wenn das hier das Original ist, dann dürfte es keine
is
haben. Wenn sie es nicht ist, warum ist sie dann in Chiatze geschrieben? Warum nicht ganz in Nadir?«
Sieben rutschte auf den Knien vorwärts, bis er seine: Hände auf die Platte legen konnte. Dann drückte er mit jeweils einem Finger in die eingravierten Symbole, Irgendetwas gab unter seinem Druck nach, es gab ein dumpfes Klicken von drinnen, und die Namensplatte fiel ab. Dahinter befand sich eine flache Nische, die in den Sarg geschnitten war, und darin lag ein kleiner Lederbeutel. Talisman stieß Sieben beiseite und packte den Beutel. Als er ihn öffnete, brach das Leder, und der Inhalt fiel auf den staubigen Fußboden. Es waren zwei Fingerknöchelchen mit schwarzen Symbolen, ein kleines Stück geflochtener Haare und ein Stück gefaltetes Pergament. Talisman sah enttäuscht aus. »Ich dachte schon, du hättest die Augen von Alchazzar gefunden«, sagte er.
Sieben nahm das Pergament und versuchte, es zu öffnen, aber es zerfiel unter seinen Fingern. »Was ist das?« fragte er.
»Der Medizinbeutel eines Schamanen. Die Fingerknöchelchen werden für Seherzauber gebraucht, das Haar gehört dem ärgsten Feind des Schamanen. Das Pergament? Ich weiß nicht.«
»Warum ist es wohl hier verborgen?«
»Weiß ich nicht«, fauchte Talisman. Sieben nahm die Fingerknöchelchen in die Hand.
Die Welt fing an sich zu drehen. Er schrie auf, aber er wurde in die Dunkelheit hinabgezogen …
Schockiert von dem plötzlichen Zusammenbruch, kniete Talisman über der leblosen Gestalt des blonden Drenai und legte seinen Zeigefinger auf den Puls an seinem Hals. Das Herz schlug, aber unglaublich langsam. Er rüttelte Sieben an der Schulter, aber dieser reagierte nicht. Er stand auf und rannte aus dem Schrein. Gorkai saß auf dem Boden und schärfte sein Schwert mit einem Wetzstein. »Hol Nosta Khan und den anderen Drenai«, befahl Talisman, dann ging er zu Sieben zurück Druss kam als erster. »Was ist passiert?« fragte er und kniete neben seinem Freund nieder.
»Wir haben uns unterhalten, und dann brach er zusammen. Hat er öfter Anfälle?«
»Nein.« Druss fluchte leise. »Sein Herz schlägt kaum noch.« Talisman sah den Axtkämpfer an und erkannte die Angst in dem breiten, bärtigen Gesicht. Nosta Khan kam, und Talisman sah, wie sich seine bohrenden Augen auf die herabhängende Namensplatte an dem Sarg hefteten.
»Die Augen …?« fragte er.
»Nein«, antwortete Talisman und erzählte ihm, was sie gefunden hatten.
»Du Narr!« zischte Nosta Khan. »Ihr hättet mich rufen sollen.«
»Es war nur ein Medizinbeutel. Keine Juwelen drin«, erwiderte Talisman, der spürte, wie der Zorn in ihm hochkochte.
»Es ist der Medizinbeutel eines
Schamanen«,
fauchte Nosta Khan. »Auf ihm liegt ein Zauber.«
»Ich habe ihn ebenfalls berührt, und mir ist nichts passiert«, wandte Talisman ein.
Der kleine Schamane kniete neben Sieben nieder und öffnete die Finger von dessen rechter Hand. Hier lagen die Knöchelchen, aber jetzt waren sie weiß und rein – die schwarzen Symbole hatten sich in Siebens Handfläche gebrannt. »Aber der Beutel zerfiel«, sagte Nosta Khan, »und nicht du warst es, der die Sehenden Knochen aufhob.«
Der Axtkämpfer erhob sich und baute sich drohend vor Nosta Khan auf. »Es ist mir gleich, wessen Fehler es war«, sagte er. Seine Stimme war gefährlich leise, seine
Weitere Kostenlose Bücher