Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
und sah dem älteren Soldaten in das verwitterte Gesicht. »Du bist ein guter Freund, Jomil. Ich schätze dich hoch. Aber mein Vater sagte immer, ich solle mich nie an etwas beteiligen, was ehrlos sei. Einmal sagte er, es gäbe keine größere Befriedigung für einen Mann, als beim Rasieren in den Spiegel zu schauen und stolz auf das sein zu können, was er darin sieht. In diesem Augenblick bin ich nicht stolz.«
»Du solltest es aber sein«, sagte Jomil leise.
Es war drei Stunden nach Mittag, und der Feind hatte noch immer nicht angegriffen. Die Fußsoldaten saßen im Lager, viele von ihnen hatten sich aus ihren Schwertern und Umhängen einen Schutz vor der sengenden Sonne gemacht. Die Pferde der Lanzenreiter waren im Westen angepflockt. Die meisten standen erschöpft mit gesenkten Köpfen da, andere waren aus Wassermangel zu Boden gesunken.
Druss beschattete die Augen. Er sah, wie die fünf Wasserkarren zurückkehrten und fluchte unterdrückt. Gothirsoldaten rannten zu den Wagen und umringten sie.
Talisman kletterte auf die Brüstung und stellte sich neben Druss. »Ich hätte Kzun mehr Männer mitgeben sollen«, sagte er.
Druss zuckte die Achseln. »So weit ich mich erinnere, sind sie gestern Abend hier mit vierzehn Wagen aufgebrochen. Dein Mann hat gute Arbeit geleistet. In diesen Karren ist so wenig Wasser, daß es kaum einen Tag reichen wird. Allein die Pferde brauchen mehr, als diese Karren heranschaffen können.«
»Du hast schon Belagerungen erlebt?« fragte Talisman.
»Ja, mein Freund. Zu viele.«
»Wie schätzt du dann die Lage ein?«
»Ich denke, sie werden alles auf einmal gegen uns einsetzen. Sie können keine Hinhaltetaktik verfolgen. Sie haben keine Techniker, die die Mauern sprengen könnten, sie haben keine Rammböcke, um die Tore einzudrücken. Ich glaube, sie werden jeden Mann schicken, den sie haben, ob Lanzenreiter oder Fußsoldat. Sie werden diese Mauer durch ihre schiere Zahl erstürmen.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Talisman. »Ich glaube, daß sie einen dreigeteilten Angriff versuchen werden. Die Westmauer hier wird den Hauptangriff abbekommen, aber sie werden ebenso versuchen, das Tor zu erstürmen und eine andere Mauer. Sie werden versuchen, uns auseinanderzuziehen. Erst wenn das mißlingt, werden sie den finalen Angriff riskieren.«
»Das werden wir bald genug erfahren«, sagte Druss. »Wenn sie tun, was du vermutest, wie willst du dagegenhalten?«
Talisman lächelte müde. »Unsere Möglichkeiten sind begrenzt Druss. Wir halten einfach so gut wie möglich die Stellung.«
Druss schüttelte den Kopf. »Du mußt davon ausgehen, daß ein paar Soldaten es bis auf die Wehrgänge schaffen und vielleicht sogar in die Anlage hinunter. Es ist entscheidend, wie wir darauf reagieren. Instinktiv greift jeder Mann den Feind an, der ihm am nächsten ist, aber in einer solchen Situation erweisen sich solche Instinkte meist als fatal. Wenn eine Bresche in eine Mauer geschlagen wird, muß zuallererst diese Bresche wieder geschlossen werden. Die Männer, die es schon nach drinnen geschafft haben, sind zweitrangig.«
»Was schlägst du vor?«
»Du hast schon eine kleine Reservetruppe bereit, um die Lücken zu füllen. Stocke sie um einige Männer auf und teile sie in zwei Gruppen. Wenn der Feind einen Abschnitt der Mauer einnimmt, muß eine Gruppe zu den Verteidigern hinauf, um den Abschnitt zurückzuerobern. Die zweite Gruppe kann diejenigen angreifen, die eingedrungen sind. Wir haben nur einen äußeren Verteidigungsring. Wir können nirgendwohin zurückweichen, also müssen wir diese Mauern halten. Kein Verteidiger darf seinen Posten verlassen, gleichgültig, was er im Innenhof sieht. Die Mauern, Talisman! Nichts anderes zählt.«
Der junge Nadir nickte. »Ich verstehe, worauf du hinauswillst Axtkämpfer. Ich werde es den Männern klarmachen. Wußtest du, daß die Stämme Lose gezogen haben, um zu sehen, wer heute das Privileg hat, an deiner Seite zu kämpfen?«
Druss lachte. »Also das machen sie! Wen habe ich bekommen?«
»Die Himmelsreiter. Sie freuen sich riesig. Es ist selten, daß ein
gajin
so beliebt ist.«
»Meinst du?« Druss wog seine Axt. »In Zeiten wie diesen bin ich meistens sehr beliebt. Das alte Lied vom Soldaten, was? Wenn Krieg und die Angst vor dem Krieg zu den Menschen kommen, dann verehren sie den Krieger. Sobald der Krieg vorbei ist, vergessen sie den Krieger und schmähen ihn. Es ist immer dasselbe.«
»Das klingt gar nicht bitter«, stellte
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