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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Augen auf«, sagte Adamsberg und schlug ihm auf die Wangen. »Kommen Sie zu sich. Machen Sie die Augen auf. Sagen Sie ja, wenn Sie mich hören.«
    »Ja.«
    »Sagen Sie noch was.«
    Veyrenc machte die Augen ganz auf. Verständnislos blickte er zuerst Maurel, dann Adamsberg an, als erwarte er seinen Vater, der ihn ins Krankenhaus nach Pau bringen würde.
     
    »Sie sind gekommen«, sagte er, »die Kerle aus Caldhez.«
    »Ja, Roland und Pierrot.«
    »Über den Chemin des Rocailles an der Kapelle in Camalès sind sie auf die Hochwiese gekommen.«
    »Wir sind in Saint-Denis«, unterbrach Maurel ihn besorgt, »wir sind in der Rue des Écrouelles.«
    »Keine Bange, Maurel«, sagte Adamsberg, »das ist was Persönliches. Weiter, Veyrenc«, fuhr er fort und rüttelte ihn an der Schulter. »Sehen Sie die Hochwiese? War es dort? Ist es Ihnen wieder eingefallen?«
    »Ja.«
    »Da waren vier Kerle. Und der fünfte? Wo ist er?«
    »Er steht unter dem Baum. Er ist der Chef.«
    »Ja, klar«, sagte Pierrot feixend. »Er ist der Chef.«
    Adamsberg ging von Veyrenc zu den beiden Kerlen hinüber, die, mit Handschellen gefesselt, zwei Meter neben dem Lieutenant lagen.
    »So sieht man sich wieder«, sagte Roland.
    »Überrascht dich das?«
    »Wo denkst du hin. Du mußtest uns doch immer in die Quere kommen.«
    »Sag ihm die Wahrheit über die Hochwiese. Ihm, Veyrenc. Sag ihm, was ich unter dem Baum gemacht habe.«
    »Er weiß es, stimmt’s? Sonst wäre er ja nicht hier.«
    »Du warst schon immer ein kleiner Dreckskerl, Roland. Das ist die Wahrheit.«
    Adamsberg sah den Schein der blauen Krankenwagenlichter auf dem Lattenzaun der Baustelle. Die Fahrer luden die Männer auf die Tragen.
    »Mordent, ich fahre mit Veyrenc mit. Begleiten Sie die beiden anderen, es gilt strengste Überwachung.«
    »Kommissar, ich habe kein Hemd.«
    »Nehmen Sie Maurels. Maurel, bringen Sie meinen Wagen zur Brigade zurück.«
    Bevor die Krankenwagen abfuhren, rief Adamsberg noch Hélène Froissy an.
    »Froissy, tut mir leid, daß ich Sie aus dem Bett hole. Bauen Sie die ganze Anlage ab, zuerst in der Brigade, anschließend bei mir. Danach begeben Sie sich auf direktem Wege nach Saint-Denis, Rue des Écrouelles. Dort finden Sie Veyrencs Wagen. Säubern Sie alles.«
    »Kann das nicht ein paar Stunden warten?«
    »Ich würde Sie nicht morgens um zwanzig nach drei anrufen, wenn es auch nur eine Minute warten könnte. Lassen Sie alles verschwinden.«

40
    Der Chirurg betrat das Wartezimmer und hielt Ausschau nach jemandem, der aussah wie ein Kommissar und auf Nachricht von den drei angeschossenen Patienten wartete.
    »Wo ist er?«
    »Da drüben«, sagte der Anästhesist und zeigte auf einen kleinen, dunkelhaarigen Mann, der, über zwei Stühle ausgestreckt, fest schlief, den Kopf auf seine zusammengefaltete Jacke gebettet.
    »Nehmen wir’s mal an«, sagte der Chirurg und rüttelte Adamsberg an der Schulter.
    Der Kommissar richtete seinen schmerzenden Rücken auf, rieb sich mehrmals übers Gesicht und fuhr sich durchs Haar. Waschprozedur beendet, dachte der Chirurg. Doch auch er hatte keine Zeit gehabt, sich zu rasieren.
    »Es geht ihnen gut, allen dreien. Die Knieverletzung wird Krankengymnastik brauchen, aber die Kniescheibe ist nicht getroffen. Der Arm ist nur eine Lappalie, er wird in zwei Tagen rauskönnen. Das Bein hat Glück gehabt, die Arterie wurde nur knapp verfehlt. Er hat Fieber, er redet in Versen.«
    »Und die Kugeln?« fragte Adamsberg und schüttelte seine Jacke aus. »Wurden sie auch nicht verwechselt?«
    »Jede in einer Schachtel, beschriftet mit der Nummer des Bettes. Was ist passiert?«
    »Ein Überfall vor einem Bankautomaten.«
    »Ach«, meinte der Chirurg enttäuscht. »Geld regiert die Welt.«
    »Wo liegt die Knieverletzung?«
    »Zimmer 435, zusammen mit dem Arm.«
    »Und das Bein?«
    »Zimmer 441. Was hat er?«
    »Die Knieverletzung hat auf ihn geschossen.«
    »Nein, ich meine seine Haare.«
    »Das ist von Natur aus so. Also, von Natur aus seit einem Unfall.«
    »Ich nenne so was eine intrakutane Störung des Keratins. Kommt selten vor, geradezu außergewöhnlich. Möchten Sie einen Kaffee? Ein Frühstück? Wir sind ein wenig blaß.«
    »Ich werde mir einen Automaten suchen«, sagte Adamsberg und stand auf.
    »Der Kaffee aus dem Automaten ist Eselspisse. Kommen Sie mit mir mit. Wir werden schon was finden.«
    Ärzte hatten immer das letzte Wort, und Adamsberg lief dem Mann in Weiß folgsam hinterher. Man würde essen. Man würde trinken. Es

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