Die dritte Sünde (German Edition)
zustimmen. »Hattest du nicht davon gesprochen, bereits deine Erfahrungen gemacht zu haben?«, fragte Lady Craven mit einem süffisanten Lächeln. Isobel sah beschämt zur Seite. Im Gegensatz zu ihrer Mutter war sie ein regelrechter Ausbund an Tugend, wenn sie an ihre bisherigen Unternehmungen dachte. Allerdings nur, das musste sie sich selbst eingestehen, mangels Gelegenheit.
»Nun«, begann sie zögernd, »ich hatte auf Whitefell nicht wirklich die Möglichkeit dazu. Mein Vater hat das Interesse an Festen verloren und Daniel, mein älterer Bruder, hält sich, weil er sich mit Vater wegen irgendetwas zerstritten hat, schon seit Jahren in Indien auf. So haben wir auch nur selten Besuch. Ich war nur auf wenigen Gesellschaften und wenn, dann in Wilton, und die waren meist sehr langweilig. Allerdings haben wir einen Stallknecht auf Whitefell …«
»So so, einen Stallknecht«, bemerkte Lady Craven trocken, »der klassische Fall! Ich hoffe doch, er ist es wert.« Isobel drängte den kurz aufkommenden Ärger bei den Worten Lady Cravens zurück. Wenn sich ihr die Gelegenheit zu einem würdigeren Gespielen geboten hätte, hätte sie sich sicher dieser Variante zugewandt. Aber, so musste sie insgeheim zugeben, Aaron Stutter war es allerdings wert, sich ein wenig herabzulassen. In ganz London war ihr kein junger Mann begegnet, der ihm, was das Aussehen und die Anziehung, die er auf eine Frau ausübte, anbetraf, auch nur annähernd das Wasser reichen konnte. Es war zu schade, dass er nur ein Knecht war. Störrisch blickte sie ihrer Gastgeberin in die Augen. Diese lenkte sofort ein. Es war ihr offenbar daran gelegen, das vertrauensvolle Verhältnis, das sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, nicht zu gefährden. »Bestimmt wird er es sein. Wahrscheinlich ist er sehr hübsch?«
»Oh, ja!«, bestätigte Isobel eifrig, »und ich glaube, er beherrscht es auch, dieses Liebesspiel.«
»Schöne und charmante Männer haben meist genug Gelegenheit, sich darin zu üben«, stellte Lady Craven sachlich fest. »Hast du denn schon mit ihm geschlafen?«
Isobel keuchte auf vor Überraschung über diese unverblümte Frage, doch dann huschte, ohne dass sie es verhindern konnte, ein verstecktes Lächeln über ihr Gesicht. Auch Lady Craven lächelte nun wissend. »Aha!«, sagte sie.
»Aber nicht wirklich«, erklärte Isobel nun ehrlich, »Cathy hat uns leider gestört, die dumme Gans.«
»Und wer ist Cathy?«, wollte Lady Craven nun wissen.
Isobel seufzte. »Sie ist … wie soll ich es beschreiben? Nun, sie war einige Jahre meine Spielgefährtin, die mir half, die Langeweile zu vertreiben. Allerdings ist sie nur die Tochter unseres Feldpflegers und wirklich dumm«, fügte sie bissig hinzu, um dann hasserfüllt festzustellen: »Aber offenbar doch nicht so dumm, um nicht einen passenden Moment auszunutzen und Aaron schöne Augen zu machen. Das wird sie noch bereuen.«
Lady Craven seufzte mitfühlend. »Ich habe den Eindruck, Mr de Burgh hat nicht viel Einfühlungsvermögen in die berechtigten Bedürfnisse seiner Tochter nach angemessener Unterhaltung bewiesen. Aber er war nie ein sehr gewandter Mann. Allerdings reich – und das wiegt vieles auf.«
Isobel rutschte unruhig auf ihrer Sitzbank hin und her. »Das ist nun leider auch nicht mehr der Fall. Mein Vater hat sein ganzes Vermögen an der Börse verloren. Das ist ja der Grund, warum ich unbedingt Havisham heiraten soll. Havisham hat versprochen, meinen Vater aus seiner selbst verschuldeten Finanzmisere zu retten, und hat dabei die Eheschließung mit mir zur Bedingung gemacht.«
»Oh!« Lady Craven wirkte nun erstmals wirklich erschüttert. »Das ist allerdings eine bedenkliche Lage. In diesem Fall kann ich dir nur umso mehr dazu raten, dem Antrag dieses Mr Havisham zuzustimmen. Glaube mir«, sagte sie beschwörend, »nichts ist schlimmer, als arm zu sein. Vor allem für eine Frau.«
»Aber ich wollte doch noch so viel erleben! Ich bin noch nicht bereit für eine Ehe, schon gar nicht mit so einem alten Mann!«, schrie Isobel nun fast verzweifelt auf. Lady Craven stand von ihrem Sessel auf, in dem sie sich nach dem Frühstück im Morgenzimmer – einem Raum, den sie sehr zu bevorzugen schien – niedergelassen hatten, und setzte sich neben Isobel auf die zierliche Polsterbank mit den gedrechselten Beinen. Zärtlich umarmte sie ihren Gast. »Mein liebes Kind, nun hör mir einmal gut zu: Die Ehe ist nichts weiter als eine geschäftliche Vereinbarung. Warum also übermäßige Erwartungen
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