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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Billies blaue Augen leuchteten vor Stolz. Müde und abgekämpft war er nach Hause gekommen, was aber seiner Begeisterung keinen Abbruch tat. Nun schaufelte er sich gierig den üblichen Hammeleintopf mit Feldgemüse in den hungrigen Mund. Die acht Meilen nach Wilton in einem knappen Tag hin und her zu laufen, war eine beachtliche Leistung für einen zehnjährigen Jungen, der zudem eine körperliche Beeinträchtigung aufwies. Ruby lächelte Billie wohlwollend zu und strich ihm über den Kopf. Sie gönnte es ihm, dass er eine sinnvolle Aufgabe erhalten hatte. Ihr Ehemann machte sich Sorgen um Billie und dessen Zukunft auf dem Gut. Das wusste sie genau, obwohl Wycliff Thomson sich sonst ausgesprochen verschlossen und wortkarg gab. Der Junge war sein Augapfel. Warum sonst hatte er seit Jahren mit seiner erstgeborenen Tochter, die er für Billies Unglück nach wie vor verantwortlich machte, kein Wort mehr gewechselt? Das Mädchen tat ihr leid. In ihrer einfachen Art empfand Ruby Thomson es als ungerecht, ja geradezu unchristlich, dass Wycliff seiner Tochter nicht vergeben wollte und sie mit Missachtung strafte. Selbst als sie vor einigen Wochen wieder auf dem Hof aufgetaucht war, hatte er sich starrköpfig geweigert, sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Es mochte einem das Herz brechen, wenn man sah, wie Cathy darunter litt. Da half es auch nicht viel, dass sie, Ruby, doch heimlich das eine oder andere freundliche Wort mit ihr gewechselt hatte, wenn ihr Ehemann es nicht mitbekam. Immerhin, Wycliff hatte Cathys Anwesenheit wohl oder übel aushalten müssen, da deren Besuche auf ausdrücklichen Wunsch der jetzigen Mrs Havisham stattgefunden hatten. Der kleine Wycliff, Rubys eigener vierjähriger Sohn, hatte mittlerweile eine starke Zuneigung zu seiner ihm bis vor Kurzem unbekannten Halbschwester gefasst, die sich mit viel Wärme um ihn gekümmert, ihm vorgesungen und mit ihm gespielt hatte, wenn sie nicht Ruby bei der Hausarbeit etwas zur Hand gehen konnte. So pflichtvergessen und faul, wie ihr Mann ständig behauptete, war Cathy gar nicht. Das hatte Ruby doch erstaunt – nachdem, was sie von ihrem Mann dazu gehört hatte und was Billie eifrig nachplapperte. Dabei konnten die beiden ihr doch dankbar sein. Nun, da Cathy die begehrte Stelle als Zofe der jungen Herrin innehatte, war es ihr offenbar gelungen, ein gutes Wort für das verkrüppelte Kind einzulegen und ihm somit doch noch etwas Gutes zu tun. Wie anders war es sonst zu erklären, dass sich Mrs Havisham überraschenderweise so überaus freundlich Billies angenommen hatte? Die Herrin war doch dafür bekannt, eher launisch und wenig am Schicksal anderer interessiert zu sein. Auf jeden Fall war der kleine Rotschopf überglücklich über die Aussicht, schon am nächsten Tag wieder kleine Dienste für die »wunderwunderschöne Mrs Havisham« – so hatte er sich ausgedrückt – übernehmen zu dürfen.
    ****
    Isobel erwachte in bester Stimmung. Heute würde ein erfolgreicher Tag werden. Zunächst wollte sie ihr Frühstück im Bett einnehmen. Etwas, das Havisham keineswegs schätzte und das sie sich jetzt in seiner Abwesenheit gönnen wollte. Dann würde sie einen Architekten aus London empfangen, den Havisham kürzlich einbestellt hatte, um die Umbauarbeiten zu besprechen. Den kleinen Krüppel Billie musste sie – lästig genug – zwischendurch auch noch beschäftigen. Immerhin hatte er ihr überraschend flink das Alaun aus Wilton besorgt, mit dem sie sich gestern eigenhändig noch eine Lösung mit abgekochtem Wasser angesetzt und dann heimlich in einer kleinen sauberen Flasche verkorkt hatte. Schließlich hatte sie heute noch etwas Besonderes vor und wer konnte wissen, ob Aaron im Eifer des Gefechts wieder so rücksichtsvoll und vorausschauend sein würde. Sie lächelte süffisant. Das tête á tête , das sie sich gestern in der Sattelkammer mit ihm gegönnt hatte, hatte ihr außerordentliches Vergnügen bereitet. Erstaunlich, zu welch rauschhafter Erregung er ihr verhalf. Das war Havisham trotz seiner allmorgendlichen und oft nächtlichen Bemühungen nicht im Mindesten gelungen. Sie hatte schon irrigerweise begonnen zu glauben, dass nur die Männer dabei Spaß hatten. Aaron hatte sie gestern im Nu eines Besseren belehrt. Obwohl …? Sie runzelte die Stirn. Offenbar war er nicht wirklich daran interessiert gewesen. Es hatte schon mehr als einer deutlichen Aufforderung ihrerseits bedurft, damit er in Rage geriet. Seltsam! Sie war bisher selbstverständlich davon

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