Die dritte Sünde (German Edition)
eigensinnig wie immer noch vor dem Tee hatte unternehmen wollen. Cathy hatte sich auch über die seltsame Glasvorrichtung mit dem Metallkolben und der Kanüle gewundert, die Isobel mitgenommen hatte, aber nicht gewagt, danach zu fragen. Isobel hielt diese sonst sorgfältig in einer Hutschachtel verborgen, deshalb nahm Cathy an, dass sie nicht darauf angesprochen werden wollte. Draußen goss es inzwischen in Strömen, das erwartete Sommergewitter ging lautstark über der Landschaft Whitefells hernieder. Da stürzte Isobel mit wutverzerrtem Gesicht ins Zimmer. Die Herrin von Whitefell war erwartungsgemäß vollkommen durchnässt. Ihr Kleid war mit Schlamm bespritzt und die sorgfältig gelegten Locken klebten ihr in beklagenswertem Zustand am Kopf.
Ärgerlich an ihrem Kleid zerrend und offenbar völlig außer sich, schrie Isobel sie unvermittelt an: »Beweg dich und hilf mir schon aus diesem dummen Kleid, oder soll ich mir den Tod holen?«
Cathy zog es vor, darauf nicht zu antworten und beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten. Was hatte Isobel nur dermaßen in Rage gebracht? Sie war doch in außerordentlich guter Stimmung gewesen, als sie sich auf den Weg machte. War es die Tatsache, dass sie Cathys Warnung ignoriert hatte und prompt ins Gewitter geraten war?
Cathy grob zur Seite stoßend, eilte Isobel, kaum dass sie sich ihrer nassen Kleidung entledigt hatte, in den Baderaum. »Warum ist hier kein warmes Wasser in der Schüssel?«, tobte sie. »Du hast dafür Sorge zu tragen, dass hier immer Wasser für mich bereitet ist!« Hasserfüllt starrte sie Cathy an, die ihr beflissen nacheilte und nun nach dem wohlgefüllten Wasserkrug neben der Waschschüssel griff und die flache Schale füllte. Ein Anflug von Ärger stieg in Cathy auf. So schnell konnte sie nun wirklich kein warmes Wasser besorgen. Doch Isobel war offenbar viel zu sehr auf Streit aus, um zu warten, bis Cathy dieses aus der Küche heraufgeholt haben würde. Unschlüssig, was sie zuerst tun sollte, um den unerklärlichen Zorn Isobels nicht noch weiter anzustacheln, wandte sich Cathy um, um zumindest ein Badetuch und einen Leinenlappen bereitzulegen. Die Tücher lagen sorgfältig gefaltet in einem offenen Schränkchen für den Gebrauch bereit.
Isobel beobachtete sie dabei mit steigender Wut. Cathys adrette, sorgfältig gestärkte Zofentracht und ihr so beneidenswert dichtes, rotes Haar spottete Isobels aufgeweichter und reichlich in Mitleidenschaft gezogener Erscheinung. Das Gefühl der Demütigung wuchs in absurde Höhen. Sie selbst kam sich vor wie eine nasse Ratte, die nackt und mit traurig herabhängenden tropfenden Haaren, verhöhnt von ihrem Personal, dort vor dem Spiegel stand. Wie konnten sie es wagen? Wie konnte Aaron es wagen? Wie konnte Cathy es wagen …?
Rasende Eifersucht durchflutete Isobel jäh. Das Bild Aarons tanzte vor ihren Augen, wie er der fiebernden Cathy zärtlich durch dieses verfluchte, glänzende rote Haar strich, Liebe und ängstliche Besorgnis in den Augen. Wie hatte sie nur so blind sein können? Nur das konnte der wahre Grund für Aarons Ausbleiben sein! Cathy hatte Aaron nicht nur schöne Augen gemacht. Vermutlich hatte das hinterhältige Luder inzwischen längst seine Finger nach ihm ausgestreckt! Während sie selbst – gedemütigt von ihrer Verwandtschaft – in London von ihrem eigenen Vater mit Havisham verkuppelt wurde, gegen ihren erklärten Willen. Das musste es sein! Nur deshalb wollte er jetzt nichts mehr von ihr wissen. Das sollte Cathy bereuen! In ohnmächtigem Zorn griff Isobel nach dem nächstbesten Gegenstand, der ihr in die Finger kam. Es war ein großer Flacon aus geschliffenem Kristallglas, gefüllt mit Rosenwasser. Sie hob die Hand. Und dann, als Cathy sich mit den Tüchern im Arm wieder zu ihr umwandte, ließ sie den Flacon mit aller Kraft auf deren Kopf niedersausen.
Sie beobachtete mit einer seltsamen Befriedigung, wie Cathy entsetzt die Augen aufriss, wie hellrotes Blut jäh aus der aufplatzenden Wunde am Haaransatz über der rechten Schläfe hervorschoss, wie sie wankte, erbleichte und dann, ohne noch einen Laut von sich zu geben, zusammenbrach.
Den Flacon immer noch in der Hand haltend, stand Isobel über Cathys leblos am Boden liegenden Körper. Blut rauschte in ihren Ohren und sperrte jedes andere Geräusch aus. Ihr Atem ging stoßweise. Dann – unvermittelt – erfasste sie heftige Panik. Sie taumelte zurück und stieß dabei gegen die Waschschüssel, die ins Wanken kam und überschwappte.
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