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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Zweifel wünschte Mrs Havisham keine weitere Unterhaltung darüber. Mit unnahbarem Gesicht bestieg sie mit Williams Hilfe den Schimmel, der bereits gesattelt bereitstand, nickte dem Verwalter noch einmal kühl zu und ritt dann hocherhobenen Hauptes in Richtung Norden davon.

Queens Hotel, Trowbridge, 26. November 1838

Kapitel 55

    Es war um die Teezeit, als Havisham die Lobby des Hotels betrat, wo er sich laut der schriftlichen Mitteilung Armindales mit diesem treffen sollte. In dem Schreiben hatte Armindale nur angekündigt, jetzt wesentliche Informationen erhalten zu haben, sich aber nicht näher darüber ausgelassen. Eine nachvollziehbare Vorsichtsmaßnahme! In Geschäften wie diesem war es sinnvoller, schriftliche Mitteilungen, so sie nicht zwingend notwendig waren, zu vermeiden. Zu leicht konnten sich solche Schriftstücke unversehens zu gefährlichen Stolpersteinen entwickeln, je nachdem, wem sie in die Hände fielen. Eine unangenehme Erinnerung an einen ganz bestimmten Schuldschein streifte ihn, aber er wischte sie rasch beiseite.
    Armindale war noch nicht zu sehen. So nahm sich Havisham in der Zwischenzeit ein Zimmer. Er war etwas früher, als er es erwartet hatte, in Trowbridge angekommen. Über der Stadt lag schwer der beißende Geruch brennender Kohle, was durch die schlechte Wetterlage noch verstärkt wurde. Dennoch war Trowbridge, trotz seiner immerhin fünfzehn Fabriken, längst nicht so schmutzig und abstoßend wie die großen nördlicheren Industriestädte. Ein Vergleich gar mit Manchester war nachgerade lächerlich. Darin lag auch das Hauptproblem der Stadt. Obwohl auch Trowbridge vom Wirtschaftsaufschwung im Bereich der Wollspinnerei profitiert hatte, war es nicht groß genug, um mit den enorm anwachsenden Industriezentren wirklich angemessen konkurrieren zu können. Dennoch hielt es sich erstaunlich gut im Vergleich etwa zu Wilton, das dem immer stärkeren Preisdruck aus den Industriezentren nicht hatte standhalten können und dessen Weberei kurz davor stand, in den Konkurs zu gehen. Was Trowbridge wohl auszeichnete, war die Findigkeit seiner Unternehmer und die Tatsache, dass die Arbeiterschaft sich aufgrund der geringeren Größe der Stadt nicht so geschlossen und organisiert gegen die Fabrikbetreiber auflehnen konnte, wie es zum Beispiel in Manchester vor mehr als zwei Jahren geschehen war. Vielleicht war es wirklich eine gute Idee, sich hier einzukaufen, unabhängig von seinen sonstigen Ambitionen, dachte Havisham, während er sich einen Tee servieren ließ.
    Da trat endlich Armindale ein. Wie immer wirkte er unauffällig und strahlte dennoch eine unterschwellige Gefährlichkeit aus, ein wenig wie ein nachtaktives Raubtier. Obwohl er ihn brauchte, war sich Havisham nur zu sehr darüber im Klaren, dass er gut daran tat, Mr Armindale nicht zu unterschätzen. Dessen beiläufige Frage nach den Umständen, die mit der Übernahme Whitefells in Verbindung standen, hatte Havishams Misstrauen geschürt und beunruhigte ihn zusehends. Schließlich bestand die Möglichkeit, dass Armindale auch in diese Richtung – vielleicht im Auftrag von Mr Green – nachforschen würde. Das wäre schlicht eine Katastrophe! Vielleicht hätte er sich doch nicht auf dieses politische Abenteuer einlassen sollen. War ihm möglicherweise sein bisheriger Erfolg zu Kopf gestiegen und hatte seine vorsichtige Umsicht erlahmen lassen? So wie damals in jener verfluchten Nacht in Portsmouth? Wieder huschte ihm die beunruhigende Erinnerung an flackernde Lichter, den schlangengleichen Körper einer goldenen Göttin und den Geschmack jenes Weines durch den Sinn. Er verdrängte die Gedanken ängstlich. Havisham strich nervös über seinen Backenbart, erhob sich dann aber und lächelte entschlossen, als Armindale nun auf ihn zutrat. Es war wahrscheinlich das Beste, einfach alles zu vergessen und weiterzumachen wie bisher. Es war doch alles gut gegangen bis jetzt und alles andere würde Misstrauen erregen.
    »Ah, Mr Havisham, schön, dass Sie so pünktlich sein konnten. Ich war mir nicht sicher, ob Sie es bei den schlechten Straßenverhältnissen zurzeit rechtzeitig schaffen würden.« Armindale schüttelte Havisham verbindlich die Hand. Sie waren nichts weiter als zwei völlig unverdächtige Geschäftsleute, die sich zu einer Unterredung hier in einem der besten Hotels in Trowbridge eingefunden hatten. Ein alltäglicher Vorgang, zweifellos! Armindales Blick streifte die halb ausgetrunkene Teetasse, die vor Havisham auf dem Tisch stand.

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