Die dritte Sünde (German Edition)
»Ich nehme an, Sie sind auch einem guten Port nicht abgeneigt.« Ohne Havishams Antwort abzuwarten, winkte er einen der Kellner herbei und gab das Entsprechende in Auftrag. Beide setzten sich wieder, während der Bedienstete ihnen den Portwein servierte.
»Wie geht es Ihrer reizenden Gattin?«, begann Armindale das Gespräch.
»Gut, gut! Danke der Nachfrage«, antwortete Havisham etwas ungeduldig. Er war schließlich nicht Hals über Kopf in Matsch und Schnee hierhergeeilt, um sich über Isobel zu unterhalten, die ihn zudem in letzter Zeit mit ihren unerträglichen Launen erheblich verärgerte. Armindale lächelte genüsslich. Es machte ihm ohne Zweifel Spaß, seinen Gesprächspartner auf die Folter zu spannen. »Ich hoffe doch, auf Whitefell steht alles zum Besten«, fügte er in harmlosem Tonfall hinzu. Havisham starrte ihn verunsichert an und beschloss dann, zum Angriff überzugehen. »Mr Armindale, Sie dürfen versichert sein, dass mein persönliches Umfeld wohlgeordnet und in bestem Zustand ist. Jetzt allerdings würde ich es begrüßen, wenn wir uns dem Thema zuwenden könnten, dessenthalben ich den weiten Weg hierher unternommen habe.«
»Aber gewiss doch, Mr Havisham!« Armindale lächelte immer noch in dieser verbindlichen und doch etwas unverschämten Art, die Havisham zusehends bis aufs Blut reizte. Doch er hatte sich auf die Zusammenarbeit mit Armindale eingelassen und nun würde er es auch zu Ende bringen. Davon würden ihn auch die Unverschämtheiten dieses wieselhaften Mannes nicht abhalten. Da war er schon mit ganz anderen Gesellen fertig geworden. Havisham presste die Lippen zusammen und fixierte sein Gegenüber unnachgiebig. Armindale trug schließlich der steigenden Ungeduld seines Gesprächspartners Rechnung und schwenkte nun endlich über zu den Informationen, die er über Mr Baker und dessen Familie in Erfahrung gebracht hatte. Es sei, so berichtete er wortreich und ausführlich, alles andere als einfach gewesen, die Informationen zu erlangen. Mr Baker sei tatsächlich außerordentlich beliebt in der Bevölkerung und besonders bei seinen Arbeitern und Angestellten. Es habe etliche Tage gebraucht, bis er überhaupt jemanden gefunden habe, der bereit gewesen war, ihm entsprechende Auskünfte – natürlich gegen klingende Münze – zu erteilen. Zudem habe er schnell bemerkt, dass er bei seinen Nachforschungen ausgesprochen vorsichtig zu Werke gehen müsse. Sollte nämlich ein treuer Arbeiter Mr Baker davon berichten, dass jemand versuche, Auskunft über dessen Geschäfte und Familienverhältnisse zu erlangen, könne dies die ganze Unternehmung erschweren.
»Ich gehe davon aus, dass Sie entsprechend vorsichtig gewesen sind. Schließlich wurden Sie mir als Fachmann angepriesen und werden von mir auch wie ein solcher bezahlt«, knurrte Havisham ungnädig. Es wäre ja zu ärgerlich, wenn Armindale gepatzt haben sollte.
»Sie können meiner absoluten Diskretion versichert sein«, meinte Armindale dazu, fügte dann aber sinnend hinzu: »Allerdings weiß man natürlich nie, ob nicht doch jemand aus Unbedachtsamkeit oder Unwissenheit das eine oder andere verlauten lässt. Ich selbst baue ja bei meinen Nachforschungen auch gerade auf diese menschliche Eigenschaft. Ganz ausschließen kann man es bei solchen Unternehmungen nie.«
Havisham rutschte unbehaglich hin und her. Die ganze Sache schien sich nicht ganz so einfach darzustellen, wie er es sich erhofft hatte. Doch er versuchte, sich gegenüber Armindale keine Blöße zu geben. »Was haben Sie also herausgefunden, Mr Armindale?«
Armindale lächelte breit und nippte an seinem Port. »Wie ich Ihnen bereits auf Whitefell mitteilte, ist zwar Mr Baker über jeden Zweifel an seiner Integrität erhaben, jedoch seine Nachkommenschaft gibt sich dessen ungeachtet – oder vielleicht auch gerade deshalb – umso zweifelhafteren Vergnügungen hin. Da wäre zunächst einmal seine Tochter, verheiratete Mrs Emma Wakefield. Sie ist mit einem der Industriellen hier verheiratet. Die Ehe scheint jedoch alles andere als vorbildlich zu sein. Jedenfalls munkelt man, dass sie vor Jahren ein Verhältnis mit dem Hauslehrer ihres Sohnes unterhielt und mit ihm durchzubrennen gedachte. Die Sache flog jedoch auf und der wohl doch nicht ganz so entschlossene Galan war – sehr zum Leidwesen von Mrs Wakefield – schnell bereit, auf seine Angebetete zu verzichten und stattdessen einer monetären Entschädigung für die entgangenen Freuden mit der Dame des Hauses zuzustimmen.
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