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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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noch länger zu Hause zu bleiben. Ich will dich nicht mehr sehen! , hatte der Vater ihr gesagt, und sie schaffte es einfach nicht, ihm noch einmal unter die Augen zu treten. Sie fürchtete, dass dann der Schmerz, der ihr schon jetzt den Atem in der Brust nahm, unerträglich werden würde. Cathy wunderte sich, dass ihr die Augen immer noch feucht wurden bei diesem Gedanken. Dass man so viele Tränen haben konnte? Sie wischte sie entschlossen fort. Was half es noch zu weinen?

Kapitel 9

    »Da bist du also!« Mrs Branagh öffnete Cathy die Nebenpforte, an der diese schüchtern geläutet hatte. Die Haushälterin bedachte das Mädchen mit kaum verhohlener Missbilligung. Wie hatte es dieses überaus gewöhnliche Geschöpf nur geschafft, die Aufmerksamkeit von Miss Isobel auf sich zu ziehen? Das Kind musste einen starken Ehrgeiz besitzen, den es geschickt unter einer zur Schau getragenen Bescheidenheit zu verbergen wusste. Anders konnte es ja nicht sein. Dass Miss Isobel sich aus eigenem Antrieb heraus für die Kinder der Arbeiter auf Whitefell nachhaltig interessieren könnte, war doch völlig unmöglich und auch ungewöhnlich, um nicht zu sagen ungehörig. Darin musste sie Miss Hunter durchaus recht geben, obwohl ihr die Gouvernante mit ihrem hochnäsigen Wesen, das sie gegenüber dem Hausgesinde an den Tag legte, nicht sonderlich sympathisch war. Wenigstens war die Kleine diesmal nicht so unsäglich schmutzig und hatte sich offensichtlich – wenn auch unzureichend – bemüht, sich dem Anlass entsprechend zu kleiden. Das lächerlich knappe, für die Jahreszeit noch etwas zu dünne Baumwollkleidchen mit der grobgewebten grauen Schürze war jedenfalls sauber, wie das Kind selbst auch. Ein wenig Gefühl für Anstand hatte es also zumindest im Leibe.
    Sie winkte Cathy, ihr zu folgen, und führte das Kind hinauf in die Privaträume der Herrschaft. Miss Hunter, die am Morgen wieder einmal eine heftige Auseinandersetzung mit dem ihr anvertrauten Schützling gehabt hatte, hatte zähneknirschend akzeptieren müssen, dass der unerwünschte Gast in den Damensalon zum Tee eingeladen worden war. Miss Isobel hatte sich wieder einmal durchgesetzt. Mrs Branagh war gespannt, was der Herr dazu sagen würde, der sich in der Regel, wenn er im Hause war, gegen Abend immer zu seiner Tochter in den Salon setzte, um ein wenig mit ihr zu plaudern. Ob Miss Isobel es darauf anlegte, ihm das unwürdige Kind unter die Augen zu führen? Was sie damit wohl bezweckte?
    Cathy folgte Mrs Branagh durch die nun schon bekannte große Eingangshalle hinauf in die oberste Etage. Wieder war sie wie erschlagen von der Pracht, die Whitefell entfaltete, aber weitaus mehr drückte sie die Gewissheit, dass sie schon diese Nacht ohne ein Zuhause verbringen musste. Vielleicht konnte sie ja wenigstens etwas zu essen ergattern, damit sie einen kleinen Vorrat auf ihrer bevorstehenden Wanderung nach Salisbury hatte. Sie hatte Angst davor, die Nacht im Freien verbringen zu müssen und deshalb beschlossen, noch einen Schafunterstand, der, wie sie wohl wusste, weiter draußen in den Feldern Whitefells stand, für diese eine Nacht aufzusuchen. Alles Weitere würde sich finden müssen. Sie schluckte heftig und konnte sich kaum darauf konzentrieren, dass Mrs Branagh wieder mit leichter Ungeduld das Wort an sie gerichtet hatte und ihr Anweisungen gab, wie sie sich bei der kommenden Begegnung zu verhalten habe. Aber dann zwang sie sich doch zuzuhören. Es war sehr wichtig, dass sie die Bewohner von Whitefell nicht verärgerte. Dann endlich waren sie vor der Tür zum Damensalon angekommen. Mrs Branagh klopfte gemessen an und öffnete, nachdem ihr von innen die Erlaubnis dazu erteilt worden war. Cathy schob sich furchtsam hinter ihr in den hohen Raum. Sie hatte es befürchtet: nicht nur Isobel de Burgh war anwesend, sondern auch die schreckliche Miss Hunter.
    »Cathy!«
    Miss Isobel schien sich tatsächlich zu freuen, sie zu sehen. Vielleicht tat sie aber auch nur so, um die verärgert dreinblickende Miss Hunter zu reizen. Cathy wusste es nicht zu sagen. Miss Isobel war schwer einzuschätzen. Mrs Branagh überprüfte mit schnellem Blick, ob Tee, Scones, Clotted Cream und Marmelade [4] auch ausreichend zur Verfügung standen, zusätzlich zu dem mit Trockenobst und Buttercreme gefüllten Teekuchen. Sie fand nichts zu beanstanden. Damit betrachtete sie ihre Aufgabe als erfüllt, verließ den Raum und überantwortete das Bauernkind kommentarlos der jungen herrschaftlichen Dame und

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