Die dritte Sünde (German Edition)
niedergelassen hatten, lag immer noch die leichte Röte, die ihr bei ihrer Flucht aus der Küche in den Kopf geschossen war, auf den Wangen und gab ihr ein ungewöhnlich blühendes Aussehen, das selbst Mr de Burgh erstaunt die Augenbrauen heben ließ. Cathy, dieses Mädchen, das seiner Tochter nun schon lange Jahre als Spielgefährtin diente, war inzwischen zu einer erstaunlichen, aparten Schönheit herangewachsen, und obwohl sich Miss Hunter offensichtlich die allergrößte Mühe gab, diesen unerwarteten Schwan im Gewand eines unscheinbaren Entchens zu halten, gelang ihr das nur unzureichend. Schade, dass das schöne Kind von so niedriger Geburt war, sonst wäre er vielleicht trotz seines immerhin schon reiferen Alters von fast sechzig Jahren noch einmal schwach geworden. Dass er sich allerdings so mit ihr vergnügte, stand natürlich außer Frage. Das hätte Isobel ihm nie verziehen. So wagte er eben dann und wann einen Blick und übte sich ansonsten in bedauernder Zurückhaltung.
Auch seinem Gast waren Cathys Reize nicht entgangen. Er hielt kurz irritiert inne in seiner Rede, fing sich dann aber sofort wieder und wandte sich seinem Gastgeber zu. So hatte Isobel Gelegenheit, Cathy zu sich auf die hochbeinige gepolsterte Sitzbank zu winken. Neugierig hob sie die Augenbrauen. Hatte Cathy etwas in Erfahrung bringen können? Isobel hatte ein fliederfarbenes und nach der aktuellen Mode tief in die Taille gearbeitetes, schulterfreies Gewand mit eng geschnürtem Mieder und übergroßen gebauschten Ärmeln, von dem sie wusste, dass es ihr ausgezeichnet stand, für ihren wichtigen Auftritt ausgewählt. Der war ihr auch gelungen. Horace Havisham war sichtlich beeindruckt gewesen und hatte sie mit besonderer Zuvorkommenheit begrüßt. Doch nun war sie gezwungen, hochaufgerichtet und schweigend auf der Sitzbank gegenüber dem Gast ihres Vaters auszuharren und so zu tun, als lausche sie dem Gespräch der Männer, zu dem sie eigentlich nichts beitragen konnte und von dem sie das meiste weder verstand noch interessierte. In Wirklichkeit beschäftigte sich ihr Geist hinter der höflich lächelnden Fassade jedoch intensiv mit dem jungen Stallknecht, der ihr vorher ins Auge gefallen war. Einen so schönen jungen Mann hatte sie noch nie gesehen und sie war mehr als willens, ihn einer eingehenderen Inspektion zu unterziehen. Sie platzte fast vor Neugier. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, stieß Cathy, die neben ihr Platz genommen hatte, heimlich an und bedeutete ihr mit vielsagenden Blicken, sich gemeinsam unauffällig zurückzuziehen.
Doch Cathy, die irgendwie beunruhigt wirkte, sah nur mit ernstem Gesichtsausdruck zu Mr Havisham hin, den die kurze Unruhe, die von den beiden ausging, in seinen Ausführungen offensichtlich störte. So gab Isobel schließlich verärgert auf. Sie würde Cathy später, wenn der Gast wieder gegangen war, zunächst einmal gründlich zurechtweisen und dann ausfragen. Was bildete die sich eigentlich ein?
»Der Opiumhandel mit China ist sehr lohnend, versichere ich Ihnen, Mr de Burgh. Dadurch ist es uns gelungen, die negative Handelsbilanz, resultierend aus den unmöglichen Auflagen von Kaiser Daoguang, die dieser Popanz sich schneller ausdenkt, als seine Beamten schreiben können, umzukehren.«
»Ich weiß nicht«, gab Mr de Burgh nachdenklich zurück, »ich hörte davon, dass der chinesische Kaiser kürzlich einen hohen Beamten, Lin Zexu oder so ähnlich – dieses gelbe Pack hat wirklich unmögliche Namen – nach Kanton entsendet hat, um den ausufernden Opiumhandel, den vor allem die britischen Handelsniederlassungen dort betreiben, zu unterbinden. Ich fürchte, da wird es über kurz oder lang zu Konflikten kommen.«
»Ach was, de Burgh, da mache ich mir keine Sorgen. Sollte es soweit kommen, werden die Briten sich zu wehren wissen, dass dem alten Daoguang Hören und Sehen vergeht. Sie sollten Ihre Finanzmittel statt in die Börse besser in den Opiumhandel stecken. Sie wissen, dass die Börse sich in letzter Zeit etwas unsicher entwickelt. Ich habe in den letzten Jahren einen guten Teil meiner Mittel auf den Sektor Opium verlegt und bin alles andere als schlecht damit gefahren. Mit Tee, Seide und Porzellan war ja kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Und in Indien gibt es auch immer mehr Probleme. Die Company hat mehr und mehr mit Unruhen im Land zu kämpfen. Ich glaube, die Tage ihrer unumschränkten Herrschaft – zumindest in Indien – sind langsam gezählt.«
»Ha! Sagen Sie das nicht,
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