Die dritte Todsuende
Holzer. »Guter Cop.«
Delaney nahm Holzer genauer in Augenschein. Der Ex-Cop war aufgedunsen und würde bald schwammig wirken. Die gerötete Haut seines Gesichts erinnerte mit ihren geplatzten Äderchen an eine Straßenkarte. Die Nase war geschwollen, die Wangen bläulich verfärbt. Schon früh am Morgen konnte er sein Zittern nicht verbeigen; er versuchte es auch gar nicht erst. Er war auf dem Weg nach unten, aber das schien ihn nicht zu interessieren.
Der Chief war sich nicht sicher, wie er anfangen, wieviel er enthüllen sollte. Aber Holzer lieferte ihm das geeignete Stichwort. »Man erzählt sich, Sie greifen dem Department in dieser Ripper-Sache unter die Arme«, sagte er.
Delaney blickte ihn erstaunt an. »Wo haben Sie das denn gehört?«
Holzer wedelte mit der linken Hand in der Luft herum. »Hier und da. Die Gerüchteküche. Sie wissen ja, wie sich so was herumspricht.«
»Das kann man wohl sagen«, meinte Delaney. »Sie haben recht, ich versuche, Hilfestellung zu leisten. Deputy Commissioner Ivar Thorsen ist ein alter Freund von mir. Ich habe Sie ausfindig gemacht, weil ich — weil wir Ihre Hilfe brauchen.«
Er hatte auf den richtigen Knopf gedrückt. Holzer richtete sich auf, straffte die Schultern. Seine trüben Augen begannen zu leuchten.
»Sie brauchen meine Hilfe?« fragte er ungläubig. »Im Ripper-Fall?«
Delaney nickte. »Ich glaube, Sie sind der Richtige. Sie sind Sicherheitschef in einem Hotel.«
»Und was für ein Hotel«, sagte Holzer trübe.
»Trotzdem…«. sagte Delaney.
Er erklärte Holzer, daß alle Morde des Rippers in Hotels stattgefunden hatten, in denen gerade Tagungen abgehalten wurden. Er erklärte, daß er überzeugt sei, daß der Killer schon im voraus genaue Kenntnis davon hatte, wo und wann Konferenzen, Tagungen oder größere Konferenzen angesetzt waren.
Eddie Holzer lauschte intensiv und zupfte dabei an seiner schlaffen Unterlippe. »Ja«, meinte er, »das könnte hinhauen. Und weiter?«
»Woher erfährt man etwas über Tagungen in Manhattan? In den Zeitungen werden sie nicht angekündigt.«
Holzer dachte einen Moment nach.
»Diese Veranstaltungen werden Monate im voraus geplant«, sagte er, »manchmal ein ganzes Jahr. Wegen der Zimmerreservierungen, verstehen Sie? Jemand, der im Büro des Bürgermeisters arbeitet, weiß sicherlich Bescheid. Das Fremdenverkehrsbüro. Vielleicht gibt es ein Kongreßbüro. Oder die Handelskammer. In der Richtung, nehme ich an.«
»Gut«, meinte Delaney, ohne zu erwähnen, daß er an all diese Quellen auch schon gedacht hatte. »Wer noch?«
»Der Hotel- und Gaststättenverband. Die müßten in jedem Fall Bescheid wissen.«
»Und…?«
»Ach ja«, sagte Holzer, »hier…«
Er beugte sich ächzend vor und wühlte in dem Stapel von Magazinen und Zeitungen, die er von Delaneys Stuhl gefegt hatte. Er zog ein dünnes, hochglanzgedrucktes Heft heraus und schob es dem Chief über den Tisch zu. »Das Branchenblatt der New Yorker Hotelgesellschaft«, sagte er. »Es erscheint jede Woche und enthält alle Tagungen in der Stadt.«
»Kriegt jedes Hotel dieses Blatt?« fragte Delaney und blätterte das Heft durch.
»Vermutlich«, sagte Holzer. »Kostet ja nichts. Die Anzeigen finanzieren den Druck. Ich glaube, es geht auch an Reiseagenturen. Vielleicht schicken sie es darüber hinaus an große Firmen außerhalb der Stadt, wer weiß? Sie werden das nachprüfen müssen.«
Delaney nickte nachdenklich. »Immerhin ein Anfang. Eddie, kann ich diese Nummer behalten?«
»Mit Vergnügen«, sagte Holzer. »Ich gucke mir das Käseblatt sowieso nie an.«
Der Chief erhob sich und streckte seine Hand aus. Holzer stand mühsam auf. Sie gaben sich die Hand. Holzer schien gar nicht mehr loslassen zu wollen.
»Danke, Eddie«, sagte Delaney und befreite sich mit einiger Kraftanstrengung. »Sie waren mir eine große Hilfe.«
»Ach ja?« fragte Holzer vage. »Na…, Sie wissen ja. Wann immer ich was für Sie tun kann…«
»Passen Sie auf sich auf«, sagte Delaney sanft.
»Wer? Ich? Darauf können Sie wetten. Ich habe alles im Griff.«
Delaney nickte und sah zu, daß er verschwand. Im Foyer stritten ein Mann und eine Frau lautstark herum. Als Delaney vorbeiging, spuckte die Frau dem Mann ins Gesicht. Der Mann schüttelte traurig den Kopf. »Deswegen hättest du nicht zurückzukommen brauchen, Schätzchen«, sagte er.
Pierre au Tunnel war Delaneys französisches Lieblingsrestaurant an der West Side. Und weil heute Freitag war, wußte er, daß er dort
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