Die dritte Weissagung
kürzesten Pontifikate in den Annalen der katholischen Kirche.
Als Papst für 33 Tage ...
Papst Johannes Paul I. lächelte unentwegt, derweil er mit Kardinal Villot redete. Und sein ruhiger Ton ließ vermuten, er spräche über das Wetter oder sonst etwas Belangloses.
Tatsächlich aber ging es um Dinge, die den Vatikan in seinen Grundfesten erschüttern konnten und würden, waren sie erst einmal in Gang gesetzt. Und Johannes Paul I. war auf dem allerbesten Wege, eben diese Dinge zu bewegen.
Doch Villot wußte, daß dieser Weg enden würde. Lange vor dem Ziel. Noch heute Nacht!
Dieses Wissen flößte ihm die nötige Ruhe ein. Gleichmütig lauschte er dem, was der Heilige Vater ihm zu sagen hatte. Jedes Wort zielte darauf ab, die Politik des Vatikans in jeglicher Hinsicht zu erneuern.
An diesem 28. September hatte Johannes Paul I. das Istituto per le Opere Religiöse ins Visier genommen, die Vatikanbank.
Es war erstaunlich, was dieser Mann innerhalb der 33 Tage, die seit seiner Amtseinführung vergangen waren, an Informationen zusammengetragen hatte. Er wußte um Vorgänge und Machenschaften, über die weltweit allenfalls ein Dutzend Menschen Kenntnisse besaßen, und dieser Albino Luciani hatte sie nun schwarz auf weiß vorliegen.
Auf einer anderen Liste, die die persönliche Handschrift des Paps-tes trug, standen Namen. Namen von Männern in höchsten Würden, derer er sich entledigen wollte. Er betrachtete sie als Krankheitsherde im Körper der katholischen Kirche, und er würde sie daraus entfernen und durch Männer seines Vertrauens ersetzen.
Villot wußte, daß auch sein Kopf auf dem Spiel stand, obschon sein Name nicht auf der Liste stand. Nicht auf dieser jedenfalls. Darauf waren lediglich jene aufgeführt, die in Diensten der Vatikanbank standen.
Um es in weltlicher Sprache auszudrücken: Papst Johannes Paul I. war dabei, die katholische Kirche im allgemeinen und den Vatikan im besonderen zu entrümpeln. Er wollte den in Jahrhunderten gewachsenen Filz tilgen, verborgene Verbindungen kappen, modernes Gedankengut einbringen.
Eine Katastrophe also bahnte sich an!
Für all jene zumindest, deren Wurzeln in diesem Sumpf aus Korruption und dunklen Machenschaften lagen und deren Leben darob prächtig gedieh .
In kürzester Zeit hatte sich Albino Luciani, dieser kleine Mann, mehr Feinde geschaffen als die Größten dieser Welt. Und die allermeisten dieser Gegner waren durchaus willens, ihre eigenen Pfründe mit allen Mitteln zu verteidigen.
Jean Villot, Kardinal und Staatssekretär, war nur einer von ihnen Aber er war beruhigt. Und er hatte im Gespräch mit Luciani beinahe Mühe, sich seine Gelassenheit nicht anmerken zu lassen. Er behalf sich damit, daß er Einwände vorbrachte und den Heiligen Vater bat, seine Entscheidungen noch einmal zu überdenken.
»Die Presse wird neugieriger«, mahnte Villot einmal mehr zur Vorsicht. Er nippte bedächtig an seinem Glas mit Kamillentee. »Man hat draußen längst Wind davon bekommen, daß Untersuchungen gegen die Vatikanbank im Gange sind.«
»Draußen«, unterbrach ihn der Papst, ohne lauter zu werden als zuvor. Nur in seinen Augen blitzte es mißbilligend auf, wenn auch nur ganz kurz, und man mußte Albino Luciani schon gut kennen, um es überhaupt zu bemerken. »Eben diese Denkweise ist es, die mir nicht gefällt. - Es soll kein Drinnen und Draußen mehr geben, wenn vom Vatikan die Rede ist. Alles soll eins werden. Dann werden sich die Menschen von selbst der Kirche wieder zuwenden, anstatt ihr den Rücken zu kehren.«
Die Menschen, dachte Villot bitter, als käme es auf sie an! Als spielten sie noch eine Rolle in unserer Welt! - Was für ein naiver Narr du doch bist Das Lächeln, das er Luciani schenkte, war bemerkenswert perfekt.
»Wahrhaft große Worte«, sagte er ruhig.
»Denen umgehend Taten folgen werden«, erklärte der Papst, »Marcinkus' Stunde schlägt als erste.«
Bischof Paul Marcinkus war in der Vatikanbank auf höchster Ebene tätig. Und er hatte etliche Geschäfte zugunsten »guter Freunde« eingefädelt - das wußten außer diesen amici nur ein paar wenige. Und das wußte offensichtlich auch der »lächelnde Papst«.
Er lächelte auch jetzt, als er Villot mitteilte: »Marcinkus wird abgelöst. Nicht in einem Monat, nicht in einer Woche, sondern morgen schon. Er wird beurlaubt, bis wir einen passenden Posten für ihn finden.«
Villot stellte Betroffenheit zur Schau, wiegte den Kopf. »Ich bin nicht sicher, ob dies ein guter Entschluß ist.
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