Die Drohung
und Nachbar!« sagte er überschwenglich. »Du siehst blendend aus! Laß dich umarmen!«
»Verzichte auf den Quatsch, Ted!« knurrte Cortone und setzte sich. »Seit 30 Jahren hasse ich unnötige Worte. Nur eine Frage: Soll das so weitergehen?«
»Was, mein lieber Mauri?«
»Daß wir gegenseitig unsere Leute dezimieren?«
»Ich habe da konkrete Vorschläge.«
»Abgelehnt.«
»Essen wir erst.« Dulcan winkte dem in der Nähe wie auf einen Spurt wartenden Kellner. Er bestellte ein opulentes Mahl und sogar Tokajer als Getränk. Ungläubig ließ sich der Kellner das wiederholen, notierte es groß auf seinem Block und rannte weg. Eine Minute später bummelte der Lokalchef unauffällig durch die Tischreihen, um die beiden Herren zu bestaunen, die Tokajer zu schätzen wußten. Er sah zwei ältere, sehr vornehme Männer im Smoking, mit Nelken im Knopfloch, die schon von weitem den Duft schwerer Dollarkonten ausströmten. Das war im Hilton nichts Neues, wohl aber, daß dicke Dollarkonten auch den guten Geschmack hoben.
Schweigend aßen Cortone und Dulcan … erst bei der Nachspeise, einem Obstsalat mit ungarischem Aprikosenschnaps flambiert, nahm Cortone das Gespräch wieder auf. Er lehnte sich zurück und faltete die Serviette zusammen.
»Lucretia haßt dich.«
»Das ist ihre Marotte. Dich haßte sie angeblich auch. Sie braucht den Haß als Stimulans. Mit dem Haß im Rücken ist ihr Unterleib besonders beweglich.«
»Man sollte dich ganz auf die Schnelle umbringen, Ted.«
»Warum?« Dulcan lächelte breit. Er bestellte Champagner und begann sichtlich, das gute Essen zu verdauen. Ein satter Mensch ist friedlich wie ein Regenwurm. Nur Tyrannen werden nach dem Essen aktiv, darum sind sie auch so unangenehm. »Maurizio, lassen wir Lucretia weg. Sie bringt kein Geld, sie kostet nur welches. Wenn wir miteinander sprechen, muß ein Geschäft dabei herauskommen. Denk an Randazzo …«
Cortone verzog das Gesicht. Jugenderinnerungen. Schon wieder. Man kam nicht los von ihnen. Aber wo gibt es einen Italiener, der fern seiner Heimat nicht von ihr träumt? In der Erinnerung verwandelt sich selbst der Staub auf den Straßen und der Müll hinterm Haus in Wiesen und Gärten.
»Die Sache in München ist ganz allein mein Werk! Ich brauche dazu keinen Kompagnon.«
»Aber jemanden, der dir Alibis verschafft.«
»Wozu Alibis?«
»Willst du in New York bleiben, wenn die Olympischen Spiele beginnen? Willst du die 30 Millionen von jemand anderem kassieren lassen?«
Cortone schwieg. Das Problem hatte ihn von Anfang an beschäftigt. Als dieser Dr. Hassler aus München-Solln den wahnsinnigsten Vorschlag machte, der jemals als Verbrechen ausgearbeitet wurde, hatte Cortone auch die Geldübergabe angeschnitten. Und Dr. Hassler hatte geantwortet: »Überlassen Sie das mir. Haben Sie Vertrauen. Ich will keinen Cent von diesem Geld – es wird ohne Abzug Ihnen gehören. Ich brauche kein Geld mehr. Mir geht es bei diesem Projekt um andere Werte. Auch die Geldübergabe werde ich regeln. Liefern Sie nur die Atombomben.«
Cortone hatte ihm vertraut, diesem unbekannten, fernen Dr. Hassler. Merkwürdigerweise empfand er dabei keinerlei Risiken. Ein Verrückter, hatte er nur gedacht. Andere Werte als Geld … das gab es für Cortone nicht. Aber man kann bei den Deutschen nie auslernen – sie sind immer für eine Überraschung gut. Man nenne ein Volk zwiespältigeren Charakters als das deutsche … wer's kann, dem gebührt ein neuer Nobelpreis für Forschung und Entdeckung.
So hatte sich Cortone ganz auf die Grundlagen der Erpressung konzentriert, hatte das Plutonium in der Wüste gestohlen und sein Kellerlabor eröffnet, hatte die Bomben mit einer Privatjacht nach Europa gebracht und dort an Land gesetzt. An einem einsamen Küstenstrich Portugals. Von dort an hatte Dr. Hassler den Weitertransport übernommen, bis vier Betongießer aus Kalabrien die gefährlichen Stahleier in die Fundamente des Olympiastadions von München eingossen. Vorher hatte man sie in einen Blechkasten gelegt, damit die hochempfindlichen elektrischen Impulszünder nicht naß wurden. Eine bewundernswerte Organisation, auf die Cortone stolz war.
»Ein Dr. Hassler übernimmt die Geldübergabe«, sagte er jetzt.
»Ich weiß.« Dulcan hob das Sektglas und nippte daran. Der Champagner war eiskalt und sehr trocken. Ein Genuß nach dem scharfen ungarischen Essen. »Aber kennst du diesen Dr. Hassler?«
»Nur brieflich und einmal telefonisch. Gesehen habe ich ihn
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