Die Druidengöttin
Zuschauer schweifen, die sich im Saal versammelt hatten, und rief: »Schaut, daß Ihr aus meinem Saal hinauskommt!«
Die Gefolgsleute Talbots und die Wachleute fielen beinahe über ihre Füße, als sie so schnell wie möglich versuchten, dem Befehl ihres Herrn nachzukommen. Im Handumdrehen leerte sich der Saal.
»Was hast du nach achtzehn Jahren deinem Vater zu sagen?« wandte Herzog Robert sich an Keely.
»Ich habe keinen Vater«, antwortete sie mit einem Anflug von Verbitterung in der Stimme, ohne jedoch seinem Blick auszuweichen. »Ihr habt mich gezeugt, nichts sonst. Hätte Megan mich nicht schwören lassen, Euch aufzusuchen, wäre ich weit weg von diesem Ort.«
Ihre Unverschämtheit zeitigte Wirkung. Allerdings reagierte der Herzog anders, als sie es erwartet hatte. Es blitzte kurz in seinen Augen, die feingezeichneten Lippen kräuselten sich, und schließlich lachte der Herzog über das ganze Gesicht.
»Chessy, hast du das gehört?« rief er der üppigen Dame zu, die neben dem Grafen stand. »Sie hat meinen Stolz geerbt, stimmt‘s?«
»Das hat sie offensichtlich, Tally«, antwortete diese mit einem Lächeln und einem zustimmenden Nicken.
Der Stolz, den sie in der Stimme des Herzogs gehört hatte, berührte Keely. Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Mutter fühlte sie so etwas wie Hoffnung und Zuversicht in ihrem Herzen keimen. »Ich hoffe, Euer Mann wurde nicht verletzt«, erklärte Keely. »Odo und Hew sind etwas übereifrig, was meine Sicherheit angeht.«
Herzog Robert blickte seinem Majordomo hinterdrein, der in eben diesem Moment aus dem Saal hinkte. »Ich denke, Meade wird er überleben.« Dann wandte er seine Aufmerksamkeit den beiden Hünen zu. »Ihr habt meine Tochter zu mir gebracht, dafür stehe ich für immer in Eurer Schuld.«
»O Tally«, schwärmte die Dame von vorhin, »wie rührend.«
»Komm, Kind.« Der Herzog streckte die Hand aus. »Lerne meine Freunde kennen.«
Keely schaute die ihr entgegengestreckte Hand einen qualvoll langen Augenblick an, bis sie schließlich dem Herzog schüchtern zulächelte und ihre Hand in die seine legte.
»Ich möchte dir Lady Dawn DeFey, die Gräfin von Cheshire, vorstellen«, begann er.
Die Gräfin schien Anfang Dreißig zu sein, doch sie war noch immer eine schöne Frau mit ihrem kastanienbraunen Haar, den rehbraunen Augen und der üppigen Figur. Wenn sie, wie jetzt gerade, lächelte, zierten zwei entzückende Grübchen ihre Wangen und ließen sie noch jünger aussehen. Sie trug ein mit gelbem und rotem Brokat geschmücktes Kleid, das besser zu einer Gala bei Hofe als zu einem Nachmittag vor dem Kamin gepaßt hätte. An Hals, Ohren und Fingern funkelten Diamanten und Gold.
»Es freut mich, Euch kennenzulernen, Mylady«, entgegnete Keely und machte einen Knicks.
»Tally, dieses Kind ist so lieb wie ein Engel«, pries Lady Dawn sie. »Weitaus angenehmer als dieses Miststück von Tochter ... Nehmt meinen Rat, Devereux. Macht dieser Tochter den Hof und nicht der anderen.«
»Morgana kann nichts dafür, daß sie so ist«, verteidigte der Herzog seine abwesende Tochter. »Sie kommt nach der Familie meiner verstorbenen Frau. Du wirst sehen, meine Liebe, sie wird sich schon noch ändern.«
Herzog Robert stellte Keely seinen anderen Gästen vor. »Hier ist mein Nachbar, Richard Devereux, der Graf von Basildon.«
»Ein gütiges Schicksal hat uns bereits zusammengebracht«, erklärte der Graf mit einem leisen Lächeln. Er küßte ihr die Hand. »Ich wußte, wir würden uns Wiedersehen, meine Schönheit.«
Keelys Hand zitterte in der seinen. Die Welt begann sich zu drehen, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
»Ich fürchte, mir wird übel«, rief Keely, als der Saal vor ihren Augen verschwamm und sie Zuflucht in einer Ohnmacht fand.
»Sie schwankt«, rief Richard. Er fing sie auf, bevor sie umsank, und trug sie in seinen Armen.
»Du lieber Gott!« rief die Gräfin.
»Hier lang, Devereux«, befahl der Herzog. »Tragt sie nach oben.«
Richard folgte dem Herzog aus dem Saal hinaus, an den verdutzten Gefolgsleuten vorbei, die im Foyer gelauscht hatten, die Treppe hinauf zu einem Schlafzimmer. Hinter ihnen marschierten Lady Dawn, Odo und Hew. Auf Anweisung der Gräfin warteten die beiden walisischen Riesen im Gang.
Nachdem er Keely auf das Bett gesetzt hatte, starrte Richard in das Antlitz, von dem er die ganze letzte Nacht geträumt hatte. Sie war noch anmutiger, als er sie in Erinnerung hatte – ihre Schönheit und Zerbrechlichkeit erinnerten ihn an
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