Die Druidengöttin
Behüterin deiner Kinder, ich flehe dich an, beschütze mich«, betete Keely leise. »Steh mir bei und schenke mir Mut. Gesegnet seien die Geister, die mir Beistand leisten. So sei es.«
Nachdem sie gebadet und ihr Hemd übergestreift hatte, hüllte Keely sich in ihr zeremonielles Kleid und zog einen Sessel zum Fenster. Sie setzte sich und sah zu, wie die Wolken aufrissen. Das Sonnenlicht küßte die Erde. Ein gutes Omen?
Keely beschloß, sich über Odo und Hew Gedanken zu machen. Ihre Cousins brauchten jemand, der sie vor den Folgen ihres mangelnden Urteilsvermögens bewahrte, aber jedesmal, wenn sie versuchte, sich die beiden vorzustellen, konnte sie sich nicht konzentrieren. Statt dessen tauchte stets das hübsche Gesicht des Grafen von Basildon vor ihrem geistigen Auge auf.
Trotz der Gefahr, die er für sie darstellte, fühlte Keely sich merkwürdig sicher. Ihr Druideninstinkt sagte ihr, daß er ihr niemals weh tun würde. Sie sah es an seinem entwaffnenden Lächeln und dem Strahlen seiner Augen. Wollte er ihre Cousins am Galgen von Tyburn baumeln sehen, hätte er sie schon längst gefangennehmen lassen. Es sei denn ... Sie wagte es nicht zu hoffen. Hatte ihr Vergessenszauber gewirkt?
Keelys Gedanken schweiften ab. Der Graf sah zu gut aus. Sein kupferrotes feuriges Haar erinnerte sie an einen flammenden Sonnenuntergang und seine smaragdgrünen Augen an die Wälder zur Frühlingszeit. Er hatte die Gestalt und den vollkommenen Körperbau eines heidnischen Gottes, der wunderbarerweise lebendig geworden war. So lange sie lebte, da war Keely sich sicher, würde sie nicht den Augenblick vergessen, als sie ihn zum ersten Mal sah, damals in der Gaststube, als er an ihren Tisch trat.
Ohne es zu bemerken, strich Keely sich über die Lippen. Wie sich wohl sein sinnlicher Mund auf ...
Bei den heiligen Steinen! Entsetzt darüber, wo ihre Gedanken sie hinführten, fuhr Keely hoch. Der Graf war ein gefährlicher, verabscheuungswürdiger Engländer. Ein Fluch für sie. Oder etwa nicht? Keely war klar, daß sie sich dessen nicht mehr so sicher war wie noch vor ein paar Tagen. Diese neue Unsicherheit machte ihr zu schaffen, und sie schaute aus dem Fenster.
Ein paar Minuten später kehrte Lady Dawn zurück. In ihren Händen trug sie ein mit violettem und goldenem Brokat geschmücktes Kleid und passende Schuhe.
Ein so herrliches Kleid hatte Keely in ihrem ganzen Leben noch nicht, gesehen. »Das gehört mir nicht«, sagte sie.
Lady Dawn lächelte. »Das Kleid und die Schuhe gehören Morgana, Eurer jüngeren Halbschwester.«
»Ich kann nicht die Kleider einer anderen tragen«, schlug Keely das Ansinnen aus, auch wenn sie das Verlangen in ihren Augen nicht verbergen konnte, als sie gebannt das herrliche Kleid anstarrte.
»Dein Vater bat mich, etwas Hübsches für Euch auszuwählen«, erklärte ihr die Gräfin.
»Wird Lady Morgana nicht verärgert sein, wenn ich mir ihr Kleid ausleihe?« fragte Keely.
»Natürlich. Das ist ja gerade das Schöne an der Sache.«
»Dann kann ich es nicht.«
»Euer Vater gibt sich die größte Mühe, Euch jeden Wunsch zu erfüllen«, erklärte ihr Lady Dawn und warf ihr einen mißbilligenden Blick zu. »Möchtet Ihr ihm seine Güte mit Ruppigkeiten vergelten?«
Keely seufzte. Seine Gnaden hatte sie eingeladen, in seinem Heim zu wohnen. Sie konnte seine Freundlichkeit nicht guten Gewissens ausschlagen.
»Der violette Brokat trifft beinahe den Ton Eurer hübschen Augen«, bot die Gräfin ihre ganze Überredungskunst auf. »Außerdem möchte der Graf von Basildon Euch heute nachmittag besuchen.«
»Warum sollte er das?« Keely schnappte überrascht nach Luft.
»Offensichtlich ist Devereux ganz hingerissen von Eurer Schönheit«, gab ihr Lady Dawn zur Antwort. »Euer Vater erteilte ihm seine Erlaubnis.«
»Wenn Ihr wirklich denkt«, wand Keely sich und blickte sehnsüchtig auf das Kleid und die Schuhe, die Lady Dawn ihr anbot, »ich sollte ...«
»Das denke ich«, schnitt Lady Dawn ihr das Wort ab. »Ich helfe Euch auch mit der Frisur.«
»Eine Gräfin sollte nicht solch eine niedere Aufgabe übernehmen.«
»Betrachtet mich als Tante«, bot Lady Dawn großzügig an, runzelte dann jedoch die Stirn. »Nein, das paßt nicht. Ich bin viel zu jugendlich, um eine achtzehnjährige Nichte zu haben. Betrachtet mich als Eure ältere und erfahrenere Schwester.«
Keely verkniff sich ein Lächeln, zog das Kleid an und schlüpfte in die dazu passenden Schuhe. Freudestrahlend sah sie zu der Gräfin
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