Die Druidengöttin
sie.
»Warum seid Ihr hier?« begrüßte Richard sie.
»Ich ... es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit, die wir besprechen sollten, Mylord.«
Richard hob eine Augenbraue. »Mein Lord?« neckte er sie. »Ich dachte, ich sei nur irgendein Lord.«
Peinlich berührt senkte Keely den Blick und fixierte wieder seine Brust. »Ihr habt bereits meine Entschuldigung für dieses ungebührliche Verhalten angenommen.«
»Das tat ich«, pflichtete Richard ihr bei. Sein Blick glitt zum Schreibtisch, wo die Arbeit auf ihn wartete. Er mußte die Berichte für die Königin fertigmachen, und wenn er darauf bestand, daß die junge Dame solange wartete, konnte er ihre Gesellschaft noch länger genießen.
»Unglücklicherweise habt Ihr für Euren Besuch einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt«, erklärte ihr Richard. »Es ist mir auferlegt, die Berichte dort auf meinem Schreibtisch zu vollenden. Die Königin erwartet sie morgen früh. Würde es Euch etwas ausmachen zu warten und später mit mir das Abendessen einzunehmen?«
»Ganz in Gegenteil«, nahm Keely das Angebot dankend an. Sie war froh über die Gnadenfrist. Ein englischer Graf mit vollem Bauch sollte entgegenkommender sein.
»Lest Ihr?« fragte Richard sie und deutete auf die Bücher an der Wand.
Mit leicht erhobenem Kinn antwortete Keely: »Wir Waliser besitzen so manches Talent.«
Lächelnd lud Richard sie ein, vor dem Feuer Platz zu nehmen. »Ich bringe Euch sofort einige Bücher«, fügte er hinzu.
Während Keely es sich in einem Sessel bequem machte, wählte Richard mehrere Bücher über verschiedene Themen aus. Er stapelte sie auf dem Boden und reichte ihr das oberste. »Das ist eines meiner Lieblingsbücher, es heißt Das Leben der Heiligen.«
»Ihr wollt meine Moral stärken?« meinte Keely schnippisch und griff nach dem Buch.
Keely legte das Buch in ihren Schoß und schlug es auf. Bei den heiligen Steinen! dachte sie bestürzt. Das Leben der Heiligen war in einer Fremdsprache, und sie konnte kaum englisch lesen. War das seine Art von Humor?
Nicht gerade belustigt musterte Keely den Grafen aus den Augenwinkeln. Er schien sie ganz vergessen zu haben. Falls er auf ihre Kosten einen Witz machen wollte, würde sie ihn enttäuschen. Keely beschloß, so zu tun, als lese sie.
Sie versuchte, dem Kauderwelsch auf ihrem Schoß ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen, blickte jedoch hin und wieder hinüber zum Grafen. Aus ihren gelegentlichen Blicken wurde bewunderndes Staunen, als mache sie eine unbewußte Bestandsaufnahme seiner Vorzüge – des feuerroten Haars, der Smaragdaugen, der feingemeißelten Gesichtszüge.
Keely seufzte. Der Graf war ein wahrgewordener Mädchentraum und ungleich interessanter als Das Leben der Heiligen.
Sie legte den Kopf gegen die Rückenlehne ihres Sessels und schloß die Augen. Die Angst um ihre Cousins forderte ihren Tribut. Die Wärme und das Gefühl der Sicherheit übermannten sie, und sie schlief ein.
»Verflucht noch mal«, brummte Richard und warf verärgert die Feder weg. Soeben war er dieselbe Zahlenkolonne zum zehnten Mal durchgegangen und hatte zum zehnten Mal ein anderes Ergebnis erhalten. Er blickte hinüber zu seinem Gast. Das Mädchen war schuld; seine Gegenwart lenkte ihn zu sehr ab.
Da ohnehin nur eine Pause helfen konnte, schenkte Richard sich ein Glas Whisky ein – ein Geschenk seines schottischen Schwagers. Er nippte daran und verzog das Gesicht. Das Zeug schien scharf zu sein. Es brannte so höllisch, daß er husten mußte. Wie Iain dieses Gebräu schätzen konnte, war ihm ein Rätsel.
Mit dem Becher in der Hand stand Richard auf und ging zu dem Sessel am anderen Ende des Zimmers, in dem sein Gast schlief. Lady Keely war ein bezauberndes Geheimnis. Und hinter dieses Geheimnis zu kommen, war eine Herausforderung, der er nicht widerstehen konnte.
Richard versuchte sich Morgana Talbot vorzustellen, wie sie in diesen Sessel gekuschelt schlief. Doch es gelang ihm nicht. Er sah immer nur Keely mit ihrem glänzenden ebenholzschwarzen Haar, den langen, dichten, dunklen Wimpern und dem makellosen Schneewittchengesicht. O Gott, wie er sie begehrte!
Richards Blick schweifte zurück zum Schreibtisch. Die Pflicht rief – nein, schrie – nach seiner Aufmerksamkeit. Bis morgen früh brauchte er die Endsumme für den Bericht, den die Königin verlangt hatte.
Als er das Buch hochhob, das Keely in den Schoß gesunken war, mußte Richard sich zusammennehmen, um nicht laut herauszuplatzen. Sein Gast hatte Das Leben der
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