Die Druidengöttin
sah, wie besorgt er um sie war. Sie schüttelte den Kopf.
Er half ihr auf die Beine und zog sie in seine Arme. »Du hättest mir sagen sollen, daß du dich nicht wohl fühlst.«
Keely lehnte sich an seine kräftige, warme Brust. Der ruhige, regelmäßige Schlag seines Herzens half, ihre Aufregung legte sich. Ihr Blick schweifte zur Kapelle und anschließend zum gepflasterten Richtplatz. Schließlich waren ihre veilchenblauen Augen auf ihn gerichtet, und sie sagte in einem Ton, der ihr ganzes Elend enthielt: »Das ist der traurigste Platz der Welt.«
»Was meinst du damit?« fragte Richard und streichelte ihr sanft über den Rücken. »Ich wohne der Messe in der Kapelle jedesmal bei, wenn ich hier bin. Es lag nie in meiner Absicht, dich zu beunruhigen.«
»... ermordete Königinnen liegen unter dem Pflaster der
Kapelle begraben«, antwortete Keely mit bebender Stimme. Sie drehte sich in seinen Armen und deutete auf einen etwas weiter entfernten Turm der Festung. »Und dort drüben ...«
»Das ist der Wakefield-Turm.«
»Unter dem liegen zwei ermordete Prinzen«, erklärte ihm Keely.
»Woher willst du das wissen? Niemand weiß, wo die Söhne Edward Plantagenets begraben wurden. Ihr Onkel ordnete ihre Hinrichtung an.«
Keely starrte den Turm an. »Du irrst dich. Der Tudorsche Thronräuber war es, der ihre ...«
Blitzschnell legte ihr Richard die Hand auf den Mund, um sie am Sprechen zu hindern. Keely sah in seine Augen und entdeckte die Angst, die er mit Zorn zu überdecken suchte.
»Richard Plantagenet befahl die Hinrichtung der Prinzen«, erklärte der Graf in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Sag nie etwas anderes. Das Verschwinden der Prinzen liegt beinahe hundert Jahre zurück. Alte Streitfragen auszugraben hat keinen Sinn. Verstehst du?«
Keely nickte. Die Ermordung der beiden kleinen Prinzen war Königsmord der schrecklichsten Art. Die Enkeltochter des Tudorschen Thronräubers saß nun auf Englands Thron. Den Begründer dieser Dynastie des Mordes an unschuldigen Kindern zu bezichtigen, würde nicht gut ankommen.
Richard und Keely gingen zurück über die Towerwiese. Je weiter sie sich von der Kapelle entfernten, um so ruhiger wurde Keely. Sie hatten wieder das Offiziersquartier erreicht.
»Basildon!« rief eine Stimme.
Richard drehte sich um und begrüßte lächelnd einen Mann mittleren Alters, der über die Wiese auf sie zukam. »William Kingston, der Wachmann des Towers«, stellte er ihn Keely vor. »Ich bin gleich wieder da«, rief Richard und ging seinem Bekannten entgegen.
Keely wollte so schnell wie möglich diesen Ort verlassen und wollte gerade weitergehen, hielt aber abrupt inne. Da stand die Frau von vorhin, nur ein paar Schritte von ihr entfernt.
Sie war aufsehenerregend angezogen. Über einem leuchtend roten Kleid trug sie einen schwarzen Samtumhang. Das ebenholzschwarze Haar trug sie geflochten in einem perlenbesetzten Haarnetz. Obwohl sie wirklich königliche Gewänder trug, wirkten diese etwas altmodisch.
Keely wußte nicht warum, aber sie hatte das Bedürfnis, die Dame mit einem Hofknicks zu begrüßen. »Guten Tag, Mylady«, erklärte sie.
»Was macht Ihr hier?« fragte die Frau Keely. Sie hatte schwarze Augen und einen lebhaften Gesichtsausdruck.
»Ich besuchte mit meinem Verlobten die Kapelle.«
Die Frau blickte zur Wiese und meinte: »Er hat rotes Haar wie mein Gatte. Ich muß dringend mit meinem Gatten sprechen. Es ist von größter Wichtigkeit. Habt Ihr ihn gesehen?«
»Ich kenne Euren Gatten nicht«, antwortete Keely, »doch mein Verlobter kennt viele Menschen hier. Wie heißt Euer Gatte?«
»Heinrich«, antwortete die Frau belustigt und fügte hinzu: »Kind, hüte dich vor dem verräterischen dunklen Schmied.«
Keely erstarrte. Mit offenem Mund stand sie da, vollkommen sprachlos ob dieser Warnung – es waren beinahe dieselben Worte, mit denen Megan sie auf ihrem Totenbett gewarnt hatte.
»Keely!«
Keely wirbelte herum. Amüsiert kamen Richard und der Wachmann auf sie zu.
»Hast du gebetet oder nur Selbstgespräche geführt?« neckte Richard sie.
»Weder noch. Ich habe mich mit der Dame hier unterhalten«, antwortete Keely. Sie wandte sich an den Wachmann. »Bitte, Sir, könnt Ihr ihren Ehemann Heinrich holen?«
Sowohl Richard als auch der Wachmann blickten mit einemmal ernst drein. »Schatz, du stehst ganz allein hier«, machte der Graf sie aufmerksam.
Keely wandte sich um. »Noch vor einem Augenblick war sie da. Ihr müßt doch Heinrichs Gattin
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