Die Duftnäherin
sonst noch für deine Rückreise brauchst, bekommst du von mir.«
»Ich werde dir einen Boten senden und meine Schulden bei dir begleichen, sobald ich wieder in Köln bin.«
Siegbert lachte kurz und freudlos auf. »Als wenn ich das nicht wüsste, mein Freund. Doch weit wichtiger als die Münzen ist, dass du mir Nachricht schickst, sobald die Lage in Köln geklärt ist. Was dort geschehen ist, kann sich auch in jeder anderen Stadt des Reiches zutragen, selbst hier in Bremen. Man muss auf solche Dinge gefasst sein, um ihnen begegnen zu können.«
»Glaub mir, Siegbert. Der Mörder von Benjamin hat mit Hilfe einiger anderer diesen Aufstand auf die Spitze getrieben. Er kam erst vor wenigen Wochen als Fremder in die Stadt und wurde mit großem Gottvertrauen von den Kölner Händlern aufgenommen. Doch glaube mir: Er ist kein Christ, kein Mensch, sondern ein wahrer Dämon. Du kennst ihn nicht und kannst deshalb nicht ermessen, welche Genugtuung es ihm bereitet, den Menschen Grausamkeiten zuzufügen.«
Siegbert blickte nachdenklich in seinen Becher. »Ich weiß, von welcher Sorte Mensch du sprichst, mein Freund. Auch ich habe einmal einen solchen Mann gekannt – und damals den großen Fehler begangen, ihn ziehen zu lassen, anstatt ihn unter meiner Kontrolle zu behalten.«
Wyland blickte seinen Freund fragend an, erhielt aber keine weitere Erklärung. Offenbar hatte er mit seinem Bericht über das Pogrom in Köln Erinnerungen in Siegbert wachgerufen, die dieser tief in sich vergraben hatte. Erst wollte er nachfassen, hielt es dann aber für besser, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Siegbert kehrte selbst aus seinen mit Schuldgefühlen belasteten Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Er stürzte den letzten Schluck Wein die Kehle hinunter und stellte das Gefäß dann geräuschvoll auf den kleinen Tisch neben ihnen.
»Ich werde mich nun darum kümmern, dass alles zusammengetragen wird, was du für deine sichere Heimkehr brauchst.« Er stand auf, und auch Wyland erhob sich rasch.
»Ich danke dir, Siegbert. Ich werde dir das nie vergessen und hoffe, es eines Tages wiedergutmachen zu können.«
»Ich bin derjenige, der so einiges wiedergutzumachen hat. Vielen gegenüber, glaub mir das.«
Wyland verstand nicht, was Siegbert damit meinen könnte. Nachdenklich ergriff er die Hand, die der Ältere ihm entgegenstreckte, und schüttelte sie.
»Warte hier. Ich schicke dir Gertrud, dass sie dir dein Zimmer zeigt. Du musst dich ein bisschen ausruhen. Selbst wenn du morgen den schnellsten und kräftigsten Zossen des Reiches unter dir haben solltest, ist der Weg zurück nach Köln keine Kleinigkeit. Ich gebe dir Bescheid, wenn ich die Vorbereitungen abgeschlossen habe. Dann kannst du morgen in aller Frühe aufbrechen.«
»Hab Dank!«
Von Goossen durchmaß den Raum mit großen Schritten und verschwand aus dem Kontor. Seinen Gast ließ er mit dem Gefühl zurück, dass hinter seinem Verhalten weit mehr steckte als nur die Hilfsbereitschaft eines alten Freundes. Er befand jedoch, dass es nichts brachte, sich weiter Gedanken darüber zu machen. Wenn Siegbert ihm die Geschichte eines Tages erzählen wollte, würde er es schon tun. Seufzend ließ Wyland sich in den Stuhl zurücksinken und wartete, bis Gertrud ihn in sein Zimmer führte. Für einen Augenblick schloss er die Lider, um schon jetzt alle Kraft in sich zu bündeln, die er morgen für den bevorstehenden Ritt brauchen würde.
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40 . Kapitel
D ie Lage entspannte sich allmählich, was dringend nötig war, sollten das Leben und die Geschäfte in Köln endlich wieder ihren normalen Gang nehmen und damit auch wieder Gelder in die Stadt fließen. Denn neben all dem menschlichen Leid hatte das Pogrom der Stadt auch gewaltige finanzielle Einbußen gebracht. Wie ein Lauffeuer hatten sich die grausamen, rechtlosen Zustände, die in der Domstadt herrschten, unter den auswärtigen Händlern herumgesprochen. Hinzu kam, dass die jüdischen Geschäftsleute nicht nur selbst einen Bogen um Köln machten, sondern auch ihre Freunde und deren Freunde dazu aufforderten, den Handel mit den Judenmördern zu vermeiden. Geldverleiher gab es in Köln keine mehr, so dass Geschäfte größeren Umfangs nicht mehr getätigt werden konnten, da nur die wenigsten Bürger über die gewaltigen Geldsummen verfügten, die dafür gebraucht wurden. Gerüchte besagten, dass die Nachbarstädte Mainz und Koblenz die großen Gewinner waren. Während der Hafen Kölns verwaist und unbelebt war, wurde
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