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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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seinen Gedanken eben bei der Arbeit war, zumal er immer sehr viele Aufträge hatte und die Zeit stets drängte. Doch nach und nach hatte er zunehmend bezweifelt, dass es wirklich nur daran lag. Und mittlerweile war sich Gawin sogar sicher, dass der gute Jordan hauptsächlich aufgrund seines hohen Alters immer mehr vergaß.
    Hanno war zu ihnen getreten. »Guten Morgen, Meister Jordan. Kann ich Euch helfen, oder soll ich mit den Vorarbeiten für die Fertigung der Stühle beginnen?«
    Der Meister war fast unmerklich zusammengezuckt, als Hanno zu sprechen begonnen hatte.
    »Hanno«, murmelte Jordan. »Du bist also der Hanno, der die Stühle für mich fertigt.«
    Der Angesprochene schien darauf etwas sagen zu wollen, da der Zimmermann sich jedoch sofort wieder seiner Arbeit widmete, machte auch er sich umgehend mit Gawin zusammen ans Werk.
    Gawin warf seinem Meister während der Arbeit immer wieder nachdenkliche Blicke zu. Er befürchtete, dass Jordan bald für immer und vor allem viel schneller, als er bisher angenommen hatte, in der Welt des Vergessens eintauchen würde.

    »Was glaubst du? Stimmt es, was Obo erzählt hat, oder hat er übertrieben?«
    Anderlin rieb sich das Kinn, wie er es immer tat, wenn er nach der richtigen Antwort suchte.
    »Sicher übertreibt er.« Er bemühte sich um ein Lächeln. »Wie immer. Doch er wird sich auch nicht alles aus den Fingern gesogen haben, und das macht mir Sorgen.«
    »Weiß man, wer die Seuche eingeschleppt hat?«
    »Es wird ja viel geredet. Aber es scheint ein Fremder gewesen zu sein, der mit zwei seiner Männer und einem kleinen Trupp von Bauern unterwegs war. Zwei Tage nachdem sie in die Stadt gekommen sind, ist er gestorben. Seine Leute haben ihn begraben, ihre Sachen gepackt und sind danach weitergezogen.« Anderlin schüttelte den Kopf. »Nur den Tod haben sie uns hiergelassen.«
    »Wie viele haben sich bereits angesteckt, weiß man das?«
    »Die Rede ist von gut einem Dutzend, darunter auch zwei Kinder.«
    Margrite schwieg betroffen. Der Gedanke, welchem Leid sich diese Menschen gegenübersahen, ließ sie schaudern.
    Es war einige Tage her, seit ihr das erste Mal das Gerücht zu Ohren gekommen war, es hätte Pestfälle in der Stadt gegeben. Sie war keine von denen, die sich schnell Sorgen machten oder allzu viel auf kursierendes Geschwätz gaben. Doch das große Sterben, wie die Krankheit von den Leuten genannt wurde, versetzte sie in eine geradezu lähmende Angst. Wann auch immer sie auf ihrer Reise in eine Stadt oder ein Dorf gekommen waren, in denen die Pest sich auszubreiten begann, waren sie unverrichteter Dinge wieder weitergezogen.
    »Gestern Abend soll es bunt zugegangen sein in der Schänke«, fuhr Anderlin fort. »Wie es genau dazu kam, wusste später niemand mehr zu sagen. Jedenfalls wurden Tische, Bänke und ein Großteil der übrigen Einrichtung zerschlagen.«
    »Wurde auch jemand verletzt?«
    »Ein paar Blessuren hier und da, doch nichts Ernstes, soweit ich gehört habe.«
    Margrite wirkte bekümmert. »Vielleicht war es ein Fehler, so früh nach Bremen zurückzukommen. Was meinst du, sollten wir nicht besser so schnell wie möglich neue Waren kaufen und wieder losziehen?«
    Anderlin machte einen Schritt auf sie zu und legte seine Finger unter ihr Kinn, so dass sie ihn ansehen musste. »Mach dir keine Sorgen, Gritchen. Womöglich wird sich die Seuche gar nicht ausbreiten. Und außerdem …«
    »Was außerdem?«
    »Und außerdem können wir nicht immer weglaufen, wenn uns die Krankheit irgendwo begegnet.«
    »Warum nicht? Dadurch haben wir uns bislang nie irgendwo angesteckt. Und ich ziehe es vor weiterzuziehen, als langsam und qualvoll zu krepieren.«
    Anderlin schlug die Augen nieder. »Und wohin?« Er sah sie eindringlich an. »Wir sind von Süden gekommen und bis hierher geflohen. Die Pest ist überall. Es gibt keinen Ort mehr, an den wir gehen könnten, um dem Schicksal einen Haken zu schlagen.«
    Margrite seufzte. Sie wusste, dass Anderlin recht hatte. Doch der Gedanke, untätig abzuwarten, bis die Seuche einen jeden von ihnen in die Fänge bekäme und ein für alle Mal auslöschte, war ihr unerträglich.
    »Und wenn wir mit einem der Schiffe in ein anderes Land übersetzen würden?« Ein Schauer überlief sie bei dieser Überlegung.
    Anderlin kniff die Augen zusammen. »Und dann?«
    »Wir könnten dort Handel treiben.« Ihre Antwort kam schnell, als hätte sie bereits darüber nachgedacht.
    Ihr Gegenüber sah sie nur an. Seinem Blick konnte sie die

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