Die Dunkelheit in den Bergen
begann der Müller sich wieder zu regen und aufzustehen. Auf dem Tisch brannte noch das Talglicht, und es war zu sehen, dass beide, der Michel und die Franziska, über und über mit Blut besudelt waren. Das jagte ihm, dem Rimmel, Angst ein. Er hieb abwechselnd auf den Müller und die Magd ein. Ihr gelang es dennoch, vor die Haustür zu gehen. Er verfolgte sie und kämpfte mit ihr auf der Holz-stiege weiter, schlug mit der Axt auf sie ein, bis sie die Stiege hinunterfiel und liegen blieb, endlich. Dann ging er hinein, versetzte dem Müller noch ein paar Hiebe, ging in die Kammer und schlug auch einige Male auf die jüngere Magd ein, damit sie nicht etwa wieder aufstand. Und um sicher zu gehen, versetzte er jedem mit dem Stilett mehrere Stiche ins Herz. Er hörte nicht auf, bis alles zu Ende gebracht war.
Die ältere Magd rollte er unter die Stiege und bedeckte sie mit einigen Scheitern Brennholz. Den Müller schleifte er in die Kammer, zog ihm und der jüngeren Magd die Kleider vom Leib und legte zuletzt den Müller zur Magd ins Bett.
Das habe er ein wenig boshaft getan, sagte Rimmel, damit alle sehen konnten, dass die beiden in Unzucht zusammenlebten. Danach zog er sein Hemd aus, das auch vom Blut besudelt war, und nahm ein sauberes vom Müller. Da dieser nun tot war und keine weitere Verwendung für seinen Besitz mehr hatte, brach Rimmel den Wandschrank auf und nahm das dort versteckte Geld an sich. Am Ende, berichtete Rimmel, habe er die Mühle gestellt, damit alles seine Ordnung finde, habe das Haus von innen verriegelt und sei über den Mühlenboden nach draußen gegangen.
Wohin?
Nicht weit, in Richtung Sculms. Etwas oberhalb der Mühle habe er sich in einem Heustall verkrochen und geschlafen. Er habe erstaunlich tief und lange geschlafen, erst am Mittag sei er aufgewacht.
Als wir bei der Mühle ankamen, dachte der Verhörrichter. Dann fragte er: Aber wie hat er den Müller aufs Bett heben können? Der Müller war kein Leichtgewicht. Und Rimmel ein magerer kleiner Mann.
Wenn er auch nicht groß sei, so habe er doch Kraft, sagte Rimmel.
Ob er denn wisse, dass er für diese Tat mit dem Tod bestraft werden konnte, fragte der Verhörrichter.
Ja, das wisse er.
Wieso er so etwas denn tue?
Rimmel konnte es sich nicht erklären. Er war zornig gewesen, und als er einmal angefangen hatte, gab es kein Zurück mehr. Gott habe ihn wohl aufgegeben, weil er schon so lange nicht mehr gebetet habe.
Ratsherr Otto, der in den langen Pausen des Berichts eifrig schrieb, brauchte noch eine Weile, bis er die Aussagen vervollständigt hatte. Dann las er das ganze Protokoll vor. Am Ende setzten alle Anwesenden, Rimmel eingeschlossen, ihre Unterschrift unter das Schriftstück. Anschließend brachte Wachtmeister Caviezel den Delinquenten in seine Zelle zurück.
Die Herren waren im Verhörzimmer sitzen geblieben und schwiegen lange.
Das Ergebnis einer sittlichen Verrohung, bemerkte dann der Amtsstadtrichter, und ein unausgeglichener Säftehaushalt im Menschen.
61 Wir haben sein Geständnis, erklärte Baron von Mont den Mitgliedern des Kleines Rats. Und wir haben die Zeugenaussagen aus Bonaduz. In Anbetracht der Umstände werden wir die Todesstrafe beantragen, das ist gewiss. Allerdings werden wir noch einige Zeit brauchen, um die Anklageschrift zu verfassen. Die Opfer sind in Rhäzüns bestattet worden. Die Klärung des Nachlasses hat begonnen. Die Obrigkeiten in den Heimatorten sind benachrichtigt worden. Bundesweibel Candrian sucht nun einen neuen Müller für die Weihermühle.
Das ist doch eine höchst erfreuliche Entwicklung, sagte einer der Ratsherren und erntete reihum zustimmendes Nicken. Endlich konnte der schlechte Ruf der Bündner Justiz etwas korrigiert werden. Bis in die deutschen Lande hatten sich die Leute über Graubünden lustig gemacht und es als Athen der Gauner bezeichnet. Nur weil der berüchtigte Räuber Hannikel aus dem Churer Gefängnisturm entwichen war. Dabei hatten sie ihn kurz darauf wieder verhaften und nach Württemberg bringen können, wo er anschließend aufgeknüpft wurde.
Die Sitzung im Regierungsgebäude war fast zu Ende, ein paar Fragen waren noch offen. Dem Kleinen Rat gehörten an: Bundespräsident Johann Anton von Peterelli vom Gotteshausbund, sein Statthalter Graf Johann von Salis-Soglio, Landrichter Christian von Marchion vom Grauen Bund, sein Statthalter Balthasar Vieli, Bundeslandammann Johann Ulrich von Sprecher-Bernegg vom Zehngerichtebund, sein Statthalter Hauptmann Georg
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