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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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ersten Tageslicht einen Besuch abstatten. Aber dann waren die Gesuchten vielleicht schon wieder weg. Auf dem Weg nach Ilanz würden sie sowieso an Schleuis vorbeikommen. Das Schloss war greifbar nah. Hostetter und Rauch waren zwei beherzte Männer. Das hatten sie bewiesen. Sie konnten im Schloss nach dem Rechten sehen und dann nach Ilanz weiterfahren.
    Nun hatte er das schnellste Gespann im Kanton, dachte der Baron, und trotzdem verschlang das Reisen zu viel Zeit. Er hätte gern ihre Familiengüter im Veltlin besucht, besser gesagt, die ehemaligen Familiengüter der Familie von Mont. Dann hätte er einen persönlichen Augenschein nehmen und den Wert des Bodens schätzen können. Er erwartete eine stattliche Abfindung, die den Verlust der Güter ausgleichen würde. Auf der neuen Straße über den Splügenpass brauchte man mit der Kutsche siebenundzwanzig Stunden von Chur bis Tirano. Die Pausen eingerechnet, war das eine Reise von drei, vier Tagen. Der Baron dachte an die Gespräche mit Georg Vieli im Schloss Rhäzüns und mit Landrichter von Marchion im Regierungsgebäude von Chur. Große Bündner Staatsmänner, die ihr volles Vertrauen in ihn, den Dreiunddreißigjährigen setzten. Nun sollte er vielleicht gar als Kommissar nach Bern. Ihm graute bloß vor der langen Reise.
    Baron von Mont hörte das Donnergrollen. Sein Unmut wuchs. Das Grollen dauerte an, war regelmäßig, viel zu regelmäßig, es war gar kein Donner, merkte er. Die Hufe stampften, und die mit Eisen beschlagenen Räder dröhnten auf Holzbohlen. Die Karosse rollte über eine Brücke und nahm auf der anderen Seite des Rheins den Aufstieg in Angriff. Man könnte noch umkehren und nach Ilanz fahren. Aber der Baron ließ Hostetter zum angegebenen Ziel weiterfahren. Über Sagogn nach Schleuis, zum Schloss Löwenberg.
    69 Bien di buna dunna. Veis udiu enzatgei d’enzacons umens ch’ein i cheu tras vies vitg? , rief der Verhörrichter einer Frau zu.
    Hostetter brachte die Rappen zum Stehen. Der Baron stieg aus und ging auf die Frau zu.
    Ob sie von den Männern gehört hat, übersetzte Rauch für Hostetter, der kein Romanisch verstand.
    Auf der Wiese vor dem Dorf wurden die letzten Gabeln Heu auf ein Fuder geladen. Der Donner krachte laut und rollte an den Felswänden entlang.
    Die Frau war auf dem Weg ins Dorf. Sie hatte ein Kopftuch umgebunden und trug einen Holzrechen auf der Schulter.
    Co han quels num? , fragte sie.
    In ei in cert Alois Kaufmann da Valendau, sagte der Verhörrichter, l’auter ha num Hans Bonadurer. Nus essan dalla polizia cantunala e tscherchein quels umens. Els ein metschafadigias, lumbarduns, palanders, vagabunds.
    Vagabunden, sagte Rauch, Hostetter sagte: Das habe ich auch verstanden.
    Displascheivlamein sai jeu da nuot, sagte die Frau und schüttelte den Kopf. Quella glieud enconuschel jeu buc. Il davos temps ei schabegiau nuot tier nus.
    Engraziel , sagte der Verhörrichter, e sin seveser!
    A bien seveser! , sagte die Frau.
    Der Verhörrichter stieg wieder in die Karosse und gab Hostetter ein Zeichen, weiterzufahren. Was hat sie gesagt?, fragte Hostetter. Sie weiß nichts, hat niemanden gesehen, sagte Rauch. Die Pferde schüttelten die Mähne, peitschten mit den Schweifen und stampften auf, um die Bremsen und Fliegen abzuwehren. Hostetter schnalzte und ließ die Zügel auf die Kruppe klatschen. Sofort zogen sie wieder an, und die Karosse rollte durch das Dorf.
    Der Wind wurde zu einer heftigen Bö, der Donner krachte, und dann fuhren sie gegen eine Wand aus Wasser. Der Regen prasselte mit unglaublicher Wucht hernieder. Hostetter und Rauch saßen geduckt, mit gesenkten Köpfen, und hielten sich am Kutschbock fest.
    Johann Heinrich von Mont befand sich zwar in der Kutsche im Trockenen, aber das gefiel ihm keineswegs.
    70 Die Kutsche war eine dunkle Kammer, vom Unwetter umrauscht und geschaukelt. Johann Heinrich von Mont war zehn Jahre alt. Es war das Jahr 1798, er saß in einer Kutsche, und draußen regnete es ununterbrochen stark. Es war eine vierrädrige Mylordkutsche mit einer gepolsterten und überdachten Sitzbank und einem ungeschützten Kutschbock. Für eine längere Reise bei schlechtem Wetter kein komfortables Gefährt. Aber für einen Zehnjährigen und zwei Bedienstete würde es wohl reichen, hatte man gedacht. Neben ihm saß ihre Magd Onna Balugna. Der Regen sprühte ihnen ins Gesicht. Über die Knie hatten sie eine Wolldecke gelegt, die schwer geworden war von der Feuchtigkeit. Felix, der Knecht, saß ungeschützt im

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