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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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dann sofort angreifen? Oder hocken bleiben, wo sie sind? Ich verstehe es einfach nicht. Warum, bei Gott, der die Erde wärmt, sind sie so weit marschiert, nur um ein Lager aufzuschlagen und abzuwarten?«
    »Welche Entscheidung Ihr auch trefft, ich werde Euch unterstützen«, sagte Megan.
    »Welche Entscheidung ich auch treffe, kein Tsardonier wird den Fuß auf mein Land setzen, das verspreche ich Euch.«

 
12

    859. Zyklus Gottes,
    18. Tag des Genasauf
     
    M irron fühlte sich krank. Es war keine Seekrankheit, und es hatte schon vor einigen Tagen begonnen. Ein ständig zunehmendes Unwohlsein. Zuerst hatte sie es für sich behalten und mit der Angst um ihren Sohn erklärt. Das war doch nur verständlich und natürlich. Aber es traf nicht zu. Sobald die Flussreise nach Ceskas begonnen hatte, wurde es ihr klar.
    Überall kam die Pracht Gottes zum Vorschein. Der frühe Genastro war einfach wundervoll. Wachstum und neues Leben erfüllten die Sinne und wärmten Körper und Seele. Die Erde erwachte und verkündete den Beginn eines neuen, von Gott gesegneten Zyklus. Es war eine Zeit, in der Mirron gewöhnlich keinerlei Bedürfnis verspürte, das Lärmen zu unterdrücken, das jeden Tag und jeden Augenblick auf ihre Sinne einstürmte. Jetzt aber fühlte es sich leer an.
    Mirron dachte an Harbans Mahnung und Gorians Worte, und die Schlussfolgerungen daraus ängstigten sie. Gern hätte sie mit Ossie und Ardu gesprochen. Ihre Brüder hätten ihr geholfen, alles ins rechte Licht zu rücken. Unter dem frischen, starken Leben des Genastro lauerten Verfall und Verwesung. Der Tod. Und mit jedem Eintauchen der Ruder wurde die Vorahnung stärker.
    Sie schauderte.
    »Ist dir kalt?«
    Sie drehte sich um. »Nein, Paul, mir geht es gut. Wie könnte ich an einem schönen Genastronachmittag wie diesem frieren?«
    »Das musst du mir sagen. Der Ausblick ist herrlich, und wenigstens muss ich dich dieses Mal nicht an Deck zerren, damit du es siehst. Aber du bewunderst ihn nicht, sondern starrst ins Leere. Was ist los?«
    Vor ihnen ragten schwarze, graue und blendend weiße Berge auf. Sie waren nicht schön, sondern unheildrohend wie alles andere in diesem Land. Eine Warnung, zu fliehen und ja nicht näher hinzuschauen, weil sie sonst etwas Schreckliches zu sehen bekäme.
    »Es ist schwer zu erklären. Die Energien sind unruhig. Es ist ein Durcheinander, als wäre alles krank, aber es ist nicht grau wie bei einer normalen Krankheit.«
    »Wie ist es dann?«
    Jhered hatte immer wieder zu verstehen versucht, was die Aufgestiegenen empfanden und im Gegensatz zu anderen Menschen zu spüren vermochten. Gern hätte er die Welt einmal mit ihren Sinnen wahrgenommen, aber das blieb ihm verwehrt.
    »Als wäre etwas, das im Kern aller Dinge liegt, über die Maßen gewachsen und hätte alles andere ins Schwanken gebracht.«
    »Meinst du so etwas wie Tote, die irgendwo herumspazieren?«
    Mirron errötete. »Entschuldige, ich …«
    »Schon gut. Aber weißt du, das tut ihr alle.«
    »Was denn?«
    »Ihr redet, als wäre es ein geheimes Spiel, und als arbeitetet ihr euch mühsam bis zur letzten dramatischen Zeile vor. Ich finde, ihr könntet es einfach aussprechen.«
    »Oh, ich verstehe.« Mirron musste lachen, und die Spannung wich.
    Jhered legte ihr einen Arm um die Schultern, und sie schmiegte sich an ihn. Es fühlte sich gut an. Sicher.
    »Ich dachte, du hältst mich für verrückt.«
    »Warum denn? In Estorr hat Harban Dinge gesagt, die verrückt klangen, aber dein vermisster Sohn ist schließlich nicht der einzige Grund, warum wir hier sind. Wir müssen herausfinden, ob Harban recht hatte, und du glaubst, dass es so sein könnte. Das ist nicht verrückt, sondern beängstigend.«
    »Wir müssen in Ceskas vorsichtig sein«, sagte Mirron nach einer Pause. »Noch vorsichtiger als sonst, meine ich.«
    Jhered nickte. »In Ordnung.«
    »Ich weiß nicht, was wir dort vorfinden werden.«
    Als sie eintrafen, kannte sie die Antwort auf diese Frage bereits. Die Arme über dem Mantel um den Oberkörper geschlungen, lief sie durch die verlassenen Straßen von Ceskas. Es war ein kalter Tag, was sie aber kaum zur Kenntnis nahm. Der Wind wehte über das verdreckte Pflaster und warf den Unrat gegen verschlossene Türen und Fensterläden. Ratten verzogen sich eilig, als die Einnehmer alle Zimmer, Schuppen und Lagerhäuser durchsuchten. Sie fanden Blut, Kampfspuren und die unverkennbaren Anzeichen, dass die Stadt geplündert worden war, aber keinen Menschen, den sie fragen

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